Rinder in einem hohen, hellen und luftdurchfluteten Stall auf einem Bauernhof in Bayern
© BBV

Pauschalangriff auf die bäuerliche Tierhaltung!

Novelle der Industrieemissionsrichtlinie - Positionen der Präsidentenkonferenz

17.10.2022 | Positionen der Mitglieder der Präsidentenkonferenz des Bayerischen Bauernverbandes zu den Vorschlägen der EU-Kommission zur Novelle der Industrieemissionsrichtlinie auf Empfehlung der Landefachausschüsse für tierische Erzeugung und Vermarktung sowie für Milch.

Die bayerischen Bäuerinnen und Bauern bekennen sich sowohl zu ihrer Verantwortung als Tierhalter als auch zum Umwelt- und Klimaschutz. Sie setzten sich dafür ein die Umweltauswirkungen u.a. der landwirtschaftlichen Tierhaltung durch nachhaltige Praktiken fortlaufend zu verringern. Dabei muss klar sein, dass Landwirtschaft von natürlichen Prozessen geprägt ist, die nicht vollumfänglich steuerbar sind und auch zu Umweltauswirkungen führen.

Die Landesfachausschüsse des Bayerischen Bauernverbandes für tierische Erzeugung und Vermarktung sowie für Milch verurteilen die bisherigen Vorschläge der EU-Kommission zur Novelle der Industrieemissionsrichtlinie als pauschalen Angriff auf die bäuerliche Tierhaltung. Sie fürchten das Aus vieler Familienbetriebe, die ihr Einkommen hauptsächlich über die Tierhaltung generieren. Die Novelle in der vorgeschlagenen Form hat existenzielle Folgen für die vor- und nachgelagerten Bereiche und den gesamten ländlichen Raum. Bereits seit Jahren reduziert sich die Anzahl der Tierhalter in Deutschland und Bayern drastisch. Die Novelle der Industrieemissionsrichtline droht dies weiter zu verschärfen und so zu einem unumkehrbaren Strukturbruch zu führen. Damit verbunden ist die Gefährdung der Ernährungssicherheit.

Die Folgen der vorgeschlagenen Novelle der Industrieemissionsrichtlinie wären insbesondere für die bäuerliche Tierhaltung in Bayern verheerend:

  • Der Schwellenwert soll von aktuell 600 Livestock-Unit (LSU) auf 150 gesenkt werden und zusätzlich die Rinderhaltung miteinbeziehen. Die aktuell geltende Emissionsrichtlinie umfasst bereits die Schweinehaltung mit mehr als 750 Sauen bzw. 2.000 Mastplätzen sowie Geflügelhaltungen ab 40.000 Plätzen. Durch die Absenkung wäre eine deutliche Ausweitung der betroffenen Betriebe die Folge.
  • Für Bayern wird von einer Verzehnfachung der betroffenen Betriebe von aktuell 500 auf mindestens 5.000 gerechnet. Diese müssten dann zusätzliche immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren erfüllen und fortlaufend Nachrüstpflichten bei der „best-verfügbaren Technik“ erbringen.
  • Der Zielkonflikt zwischen mehr Tierwohl und Emissionsminderung wird in der Novelle nicht thematisiert und damit auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen.
  • Landwirtschaftliche Tierhaltungsbetriebe wären dem gleichen Regime wie Industriebtriebe unterworfen.
  • Neue Genehmigungen und Umweltinspektionen von externen Fachbüros würden zu enormen Zusatzkosten und Bürokratie für die Betriebe führen
  • Die Aggregationsregel fasst mehrere Ställe des gleichen Betreibers zu einer Einheit zusammen, wodurch der Schwellenwert der Richtlinie schneller erreicht werden würde.
  • Die Öffentlichkeitsbeteiligung für Genehmigungsverfahren sowie die Klagebefugnis unbeteiligter Dritte am Genehmigungsprozess würde den Bau von Tierwohlställen verlängern und erschweren.
  • Delegierte Rechtsakte zur Änderung des Anwendungsbereiches und der Betriebsvorschriften würde der EU-Kommission ohne Parlamentsbeteiligung weitreichende Befugnisse geben. Statt der aktuell dringend nötigen Investitionssicherheit, um in Tierwohl investieren zu können, würde dies die Unkalkulierbarkeit für die Tierhalter verstärken.

Die Mitglieder der Präsidentenkonferenz bekräftigen ausdrücklich die Bewertung und Anliegen, die die Landesfachausschüsse für tierische Erzeugung und Vermarktung sowie für Milch erarbeitet haben. Aufgrund der massiven und dramatischen Betroffenheit der bäuerlichen Tierhaltung in Bayern durch den Vorschlag der Novelle der Industrieemissionsrichtlinie fordert der Bayerische Bauernverband eindringlich umfassende Korrekturen an dem Entwurf, insbesondere:

  • Zielkonflikt: Tierwohl muss Vorrang haben    
    Mehr Tierwohl bedeutet häufig mehr Emissionen, zum Beispiel durch ein höheres Platzangebot, Einstreu und freigelüftete Ställe. Um weiter Tierwohlställe bauen und betreiben zu können, muss Tierwohl Vorrang vor Emissionsminderung eingeräumt werden.
  • Keine unkalkulierbare dynamische Nachrüstpflicht    
    Insbesondere die vorgesehene Vorgabe einer dynamischen Nachrüstpflicht der „best-verfügbaren Technik“ stellt die landwirtschaftlichen Betriebe vor hohe und unkalkulierbare finanzielle Herausforderungen und ist teilweise in Altställen nicht integrierbar. Die Folge sind Betriebsaufgaben und damit letztlich eine Verlagerung der Erzeugung tierischer Produkte in Drittländer, deren Standards in der Tierhaltung deutlich geringer sind als in Deutschland.
  • Anhebung der Schwellenwerte    
    Die vorgeschlagenen Schwellenwerte treffen die bäuerliche bayerische Tierhaltung im Kern. So wären bereits Milchviehbetriebe ab 100 Kühen plus Nachzucht und Nebenerwerbsbetriebe mit 500 Mastschweineplätzen betroffen. Ohne eine Anhebung der Schwellenwerte droht ein Strukturbruch in der bayerischen Tierhaltung.
  • Streichung der Aggregationsregel    
    Ställe müssen weiter einzeln bewertet werden und dürfen nicht zusammengefasst werden. Die vorgeschlagene Regelung wird gerade Gemischtbetriebe treffen, die verschiedene Formen der Tierhaltung auf ihrem Betrieb vereinen. Betriebe mit mehreren kleineren Stallungen fallen andernfalls bereits unter die novellierte Richtlinie und müssen weitreichenden Zusatzanforderungen erfüllen.
  • Befreiung von freigelüfteten Ställen    
    In freigelüfteten Ställen sind im Gegensatz zu zwangsbelüfteten Ställen Emissionsminderungsmaßnahmen rein aus technischen Gründen nicht möglich. Gerade um einem „Mehr an Tierwohl“ nicht im Weg zu stehen, ist die Befreiung dieser Stallform zwingend erforderlich.
  • Herausnahme der Landwirtschaft aus der Industrieemissionsrichtlinie bzw. zumindest Streichung der Aufnahme von Rindern in die Richtlinie    
    Da die Industrieemissionsrichtlinie im Kern auf die produzierende Industrie ausgerichtet ist, ist die Landwirtschaft und deren Tierhaltung grundsätzlich komplett aus der Richtlinie herauszunehmen, mindestens müssen Rinderhaltende Betriebe wie bisher ausgenommen bleiben. Die Rinderbetriebe (Milchviehhaltung und Rindermast- oder -aufzucht) können aufgrund der baulichen Gegebenheiten von Außenklimaställen und Weidehaltung keine Abluftreinigungs- und andere technische Emissionsminderungsmaßnahmen durchführen. Darüber hinaus gilt es das biogene Methan aus der Tierhaltung differenziert zu betrachten, da dies in einem Kreislauf geführt wird und sich in der Atmosphäre im Gegensatz zu Methan aus anderen Quellen nicht anreichert.

 

Hier können Sie das Positionspapier als PDF herunterladen