Bauernhof in Bayern
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Position: Umweltschutz nur mit den Bauern, nicht gegen sie!

Umweltpolitik darf bäuerliche Strukturen nicht gefährden

09.11.2015 | Position der Kreisobmänner des Bayerischen Bauernverbandes anlässlich der Umweltministerkonferenz am 12./13. November 2015 in Augsburg

Die bayerische Land- und Forstwirtschaft steht mit dem vor- und nachgelagerten Bereich für eine Wertschöpfungskette gerade im ländlichen Raum mit über 830.000 Arbeitsplätzen. Die rund 110.000 bäuerlichen Familienbetriebe der bayerischen Land- und Forstwirtschaft nehmen ihre Verantwortung für ein auf Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit ausgerichtetes Wirtschaften sehr ernst. Ebenso ist es eine gelebte bäuerliche Grundhaltung, verantwortungsvoll mit den Nutztieren auf den Bauernhöfen umzugehen. Diese Grundpfeiler bekräftigen die rund 140 Kreisobmänner und Stellvertretenden Kreisobmänner des Bayerischen Bauernverbandes bei ihrer Herbsttagung. Junge, gut ausgebildete Bäuerinnen und Bauern, die wie jeder andere in seinem Beruf täglich ihr Bestes geben, und erfahrene Betriebsleiterehepaare, die ihre Qualifikationen durch jahrelange Alltagspraxis auf den Bauernhöfen und kontinuierliche Weiterentwicklung zu einer besonderen Kompetenz ausbauen, wollen weiterhin in der Mitte der Gesellschaft und in ihren Dörfern stehen. Stattdessen fühlen sich immer mehr Bauernfamilien mit ihren Kindern durch diffamierende Pauschalverurteilungen vor allem durch manche Politiker und Nichtregierungsorganisationen in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt. Die Kreisobmänner und Stellvertretenden Kreisobmänner des Bayerischen Bauernverbandes appellieren an die Verantwortlichen aller Parteien in den Landesparlamenten sowie im Deutschen Bundestag und in den Ministerien, mit den Menschen, die mit ihren Familien von Land- und Forstwirtschaft leben, fair umzugehen und sich sach- und praxisorientiert mit Themen der Land- und Forstwirtschaft zu befassen.
 
Für die bäuerlichen Familienbetriebe kommt die zuvor beschriebene Situation zudem damit zusammen, dass immer mehr und zusätzliche Lasten oder Einschränkungen drohen. Gerade in der politischen Diskussion zu Umwelt- und Naturschutz sowie zur Tierhaltung ignorieren einige Politiker und auch viele Nichtregierungsorganisationen, was von den Menschen, deren Familien von der bäuerlich strukturierten Land- und Forstwirtschaft leben und mit dem Eigentum eng verbunden sind, in der Praxis umsetzbar und leistbar ist. Egal ob es die Diskussionen zum Beispiel zu Düngeverordnung, Anlagenverordnung, Sachkunde für Tierhalter, TA Luft, Wasserrahmenrichtlinie, Biberschäden, ungemindertem Erwerb von Ausgleichsflächen, Hochwasserschutzplanungen oder bei der Energiewendeumsetzung sowie Steigerwald sind, stehen überzogene und auch praxisfremde Auflagen im Raum, die für Landwirte, Grundeigentümer und Waldbauern Angriffe auf das Eigentum, eine Auflagenflut, Einschränkungen im nachhaltigen Wirtschaften und im verantwortungsvollen Umgang mit den Nutztieren bedeuten.
 
Vor diesem Hintergrund fordern die rund 140 Kreisobmänner und Stellvertretenden Kreisobmänner des Bayerischen Bauernverbandes die Umweltminister von Bund und Länder anlässlich ihrer Konferenz in Augsburg auf, von allen Plänen für überzogene Forderungen Abstand zu nehmen, die einen Rückbau bäuerlicher Strukturen in der Landwirtschaft später zur Folge haben, zum Beispiel:

  • Eigentum – Land- und Forstwirtschaft: Land- und forstwirtschaftliches Eigentum ist zu schützen. Auf nationaler und europäischer Ebene muss für Wiesen, Äcker und Wald der oberste Handlungsgrundsatz im Natur- und Umweltschutz „Schützen durch Nützen“ sein. Unter anderem bewirtschaften die 700.000 bayerischen Waldbesitzer ihre Wälder auf ganzer Fläche nachhaltig, was ein Schlüsselfaktor für Wachstum und Beschäftigung in den ländlichen Räumen sowie den Schutz dortiger Ökosysteme ist. Auf den in Natura 2000 gelegenen, land- und forstwirtschaftlichen Flächen muss die Zusage der Politik weiterhin verbindlich bleiben, dass bäuerliche Betriebe so weiterwirtschaften können wie bisher.
     
  • Düngeverordnung: Die praxistaugliche Ausgestaltung muss absolutes Ziel auch seitens der Umweltpolitik sein! So sind zum Beispiel die aktuellen Diskussionen bei der Einarbeitungsfrist für bäuerlich strukturierte Familienbetriebe nicht umsetzbar und in Bezug auf andere Umweltaspekte sogar kontraproduktiv, wenn hier eine völlig überzogene Vorgabe von einer Stunde statt vier diskutiert werden. Letztlich sind beim aktuellen Beratungsstand der Düngeverordnung noch zwingend etliche Korrekturen nötig, sonst gefährdet die Politik bei bäuerlichen Familienbetrieben die Umsetzbarkeit und die Praxistauglichkeit der umweltverträglichen Verwertung von landwirtschaftlichen Wirtschaftsdüngern und auch eine ordnungsgemäße Nährstoffversorgung der Pflanzen.
     
  • Anlagenverordnung: Der Bestandsschutz muss für alle bestehenden JGS-Anlagen auf Bauernhöfen gewährleistet werden. Bäuerliche Familienbetriebe mit Tierhaltung brauchen den Bestandsschutz, wenn sie nicht zur Aufgabe der Tierhaltung und der Landwirtschaft getrieben werden sollen. Die geplante Lagerzeitvorgabe für Gärreste ist aus der geplanten Verordnung herauszunehmen.
     
  • Schonung von Nutzflächen: Dem Entzug von landwirtschaftlicher Nutzflächen ist zu stoppen. Bei Projektplanungen und –umsetzungen muss flächenschonend mit landwirtschaftlichen Nutzflächen umgegangen werden, zum Beispiel durch Innen- vor Außenentwicklung. In den letzten 20 Jahren wurden der deutschen Landwirtschaft allein durch Siedlungs- und Infrastrukturvorhaben über 860.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen entzogen. In Bayern kommen zum täglichen Flächenbedarf für solche Vorhaben mit rund 18 Hektar nochmals etwa 7 Hektar erworbene Flächen für Ausgleichsmaßnahmen hinzu.
     
  • Innovative Alternativen bei Kompensation: Die Umsetzungsbehörden sind dazu anzuhalten, beim naturschutzrechtlichen Ausgleich vorrangig innovative Alternativen wie zum Beispiel nutzungsintegrierte Kompensationsmaßnahmen, Entsiegelung von bebauten Flächen, ökologische Aufwertungen umzusetzen statt landwirtschaftliche Nutzflächen zu erwerben.
     
  • Ökologische Energiewende, Bioenergie und Leitungsnetz: Solange bei Projekten der Energiewende ein ökologischer Ausgleich gefordert wird, lehnt der Berufsstand den Bau von zusätzlichen Leitungen ab. Die Energiewende an sich ist bereits eine ökologische Maßnahme. An dezentralen Energiekonzepten mit Bioenergie, Biogas, Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft ist festzuhalten und sie sind zur Umsetzung zu bringen. Zeitnah sind dafür jetzt konkrete Perspektiven für bestehende und neue Bioenergieanlagen zu setzen. Zudem müssen Klimaschutzaspekte bei der Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes (KWK-G) stärker berücksichtigt werden. Die im Weißbuch genannten Zielvorgabe der CO2-Einsparung ist konsequent umzusetzen.
     
  • Hochwasserschutz: Der Berufsstand ist aufgeschlossen für nachvollziehbaren, zusätzlichen Hochwasserschutz. Voraussetzung muss aber sein, frühzeitig bei den Planungen und Umsetzungen mit den Landwirten, Waldbauern und Grundeigentümern zu sprechen, kooperative Lösungen zu finden und ihre Anliegen fair zu regeln. Ziel muss es sein, notwendige Maßnahmen auf kooperativer Ebene umzusetzen und die Grundstückseigentümer und Bewirtschafter nicht mit den Belastungen allein zu lassen. Für im gesamtgesellschaftlichen Interesse stehenden, zusätzlichen Hochwasserschutzmaßnahmen ist auf Ausgleichsflächen zu verzichten. Beim zusätzlichen Hochwasserschutz sind auch zuerst alle Möglichkeiten des technischen Hochwasserschutzes auszuschöpfen, um Flächen zu schonen.
     
  • NEC-Richtlinie: Die knappe mehrheitliche Haltung des EU-Parlaments vom 28. Oktober für völlig überzogene Minderungsziele für Deutschland ist für die Landwirtschaft nicht hinnehmbar. Die Umweltminister der Bundesländer müssen deshalb nun Bundesumweltministerin Hendricks den Auftrag geben, im EU-Umweltrat eine erforderliche Korrektur auf ein Minderungsziel von maximal 27 Prozent für Ammoniak bis 2030 für Deutschland zu erreichen. Ansonsten droht der Nutztierhaltung (Rinder-, Schweine- und Geflügelhaltung) von bäuerlichen Familienbetrieben ein Kahlschlag.
     
  • TA Luft: Die bisherigen Regelungen gerade im Bereich der bäuerlichen Nutztierhaltung (Rinder-, Schweine- und Geflügelhaltung) haben sich in Bayern bewährt. Hier darf es keine Änderungen geben, wenn bäuerliche Familienbetriebe mit Tierhaltung gestärkt werden sollen.
     
  • Wasserschutz: Die Herausforderungen für den Wasserschutz sind regional und lokal unterschiedlich. Die rund 500 Messstellen des Landesmessnetzes in Bayern – gleichzeitig als Überblicksmessnetz für die Wasserrahmenrichtlinie – ergeben, dass 93,5 Prozent der Messstellen die Nitratschwelle von 50 mg/l unterschreiten. Vor diesem Hintergrund ist auch beim Wasserschutz weiterhin mit Augenmaß und vor allem über den kooperativen Weg mit den Bauern vorzugehen.
     
  • Wasserrahmenrichtlinie: Auch im zweiten Bewirtschaftungszeitraum der Wasserrahmenrichtlinie muss dem Grundsatz „Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht“ Vorrang gegeben werden. Erfolgreiche Beispiele von kooperativem und freiwilligem Gewässerschutz – ob in Trinkwasserschutzgebieten oder im Rahmen von rund über einer Million Hektar an Vertragsflächen der bayerischen Agrarumweltprogramme.
     
  • Artenschutz: Der starre Schutzstatus von Arten muss der Entwicklung von Populationen über eine Dynamisierung auf nationaler und regionaler Ebene auch Rechnung tragen. Die massiven Probleme und Schäden durch den Biber in Bayern machen eine sachgerechte Anpassung des Schutzstatus erforderlich. Zugleich sind hier auch Regelungen zum Schutz der betroffenen Landwirte und ihrer Nutzflächen zum Beispiel bei Vögeln wie Graugänsen und anderen zum Teil regional früher nicht beheimateter Arten notwendig. Hier gilt es auch Anpassungen im Rahmen des EU-Fitnesschecks bei FFH- und Vogelschutzrichtlinie vorzunehmen.
     
  • Natura 2000: Das europäische Naturschutzrecht ist stärker auf eine Kooperation mit den Landnutzern auszurichten. Die Politik hat den Bauernfamilien zugesichert, unter den Bedingungen von Natura 2000 die bisherige Bewirtschaftung fortführen zu können. Heute stellen bäuerliche Familienbetriebe zunehmend fest, dass die örtlichen Naturschutzbehörden bereits bei kleinsten Veränderungen der Bewirtschaftung auf Veränderungssperren verweisen, Auflagen eine normale Bewirtschaftung (z.B. Regulierung einer Mäuseplage) einschränken und die Entwicklungsfähigkeit ihrer Betriebe in Frage steht. Bei der Umsetzung von Natura 2000 muss auch eine Abwägung einschließlich der wirtschaftlichen Belange einer ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft stattfinden, so wie es die EU-Richtlinien ausdrücklich vorsehen. Bei allen Planungen und der Entwicklung von Managementplänen sowie vor geplanten Kartierungen sind alle betroffenen Grundeigentümer schriftlich zu informieren und alle betroffenen Landnutzer – Landwirte und Waldbauern – frühzeitig einzubinden.
     
  • Tierhaltung und Tierschutz: Für eine Zukunftsperspektive für die Nutztierhaltung in Bayern und Deutschland ist es unerlässlich, dass die Politik die Weichen richtig stellt und sich zur modernen Nutztierhaltung bekennt. Die Weiterentwicklung der Nutztierhaltung kann aber nur erfolgreich verlaufen, wenn Grundsätze wie Praxistauglichkeit, Marktreife und Wissenschaftsbasierung berücksichtigt werden und mögliche Veränderungen ganzheitlich und mit offenem Blick auf Zielkonflikte bis zum Ende durchdacht werden. Um gerade bäuerliche Familienbetriebe nicht durch überzogene Vorschriften aus der Nutztierhaltung zu drängen, ist entscheidend, dass zeitliche Fahrpläne zur Umsetzung von Weiterentwicklungen – und das gilt auch für freiwillige Branchenvereinbarungen – erst dann aufgestellt werden, wenn tragfähige Lösungen gefunden sind. Unbedingt ist darauf zu achten, Weiterentwicklung so auszugestalten, dass Strukturwirkungen vermieden werden.
     
  • Bäuerliche Tierhaltung: Landwirtschaftliche Tierhalter, die mit ihren bäuerlichen Familienbetrieben existenziell besonders auf eine Nutztierhaltung angewiesen sind, sind gut ausgebildet und damit befähigt für ihre tägliche Arbeit mit den Tieren. Neue Bürokratie- und/oder Dokumentationsbelastungen durch Sachkundenachweise würden vor allem den Ausstieg von kleinen und mittleren Betrieben sowie von Nebenerwerbsbetrieben aus der Landwirtschaft fördern. Zudem würden aktuell diskutierte Pläne für ein Prüf- und Zulassungsverfahren für Stalleinrichtungen Innovationen erschweren oder sogar verhindern. Diese überzogenen Vorgaben würden gerade für kleinere Stallbauunternehmen, aber auch für bäuerliche Betriebe einen unnötigen Kostenpunkt sowie überflüssige Bürokratie bedeuten und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer heimischen Nutztierhaltung belasten. Vor diesem Hintergrund sind beide Planungen abzulehnen.
     
  • EU-Agrarpolitik: Die rund 110.000 bäuerlichen Familienbetriebe in Bayern sind aktuell und über 2020 hinaus auf die Unterstützung durch die erste und zweite Säule der EU-Agrarpolitik (GAP) existenziell angewiesen. Allein die EU-Direktzahlungen tragen rund die Hälfte zum landwirtschaftlichen Einkommen der Bauernfamilien in Bayern bei. Deshalb darf es keine Kürzungen und Umschichtungen bei den EU-Direktzahlungen geben und es müssen in der zweiten Säule die unmittelbar auf landwirtschaftliche Tätigkeit ausgerichteten Maßnahmen weiterhin Vorrang haben. Mittel für den Natur- und Umweltschutz sowie für kooperative Maßnahmen müssen über zusätzliche, eigenständige Mittel finanziert werden, wie zum Beispiel über naturschutzrechtliche Ersatzgelder, und dürfen nicht zu Lasten der bisherigen Unterstützungszahlungen an Landwirte gehen.