Fassade des Bundesrates
© Bundesrat

GAP ab 2023: Wie steht es um die Beratungen in Berlin und in Brüssel?

Maßnahmen- und Verfahrensvorschläge von DBV und allen Landesbauernverbänden

12.05.2021 | Die Verhandlungen in Brüssel (Trilog) zwischen portugiesischem Ratsvorsitz, EU-Parlament und EU-Kommission sind nach wie vor zäh; am 10. Mai haben die Ausschussberatungen im Bundesrat begonnen. Am 20. Mai ist Beratungsstart im Deutschen Bundestag. Der Bauernverband drängt vorab auf Nachbesserungen.

Bauernpräsident Walter Heidl warnt vor einer „Kannibalisierung“ zwischen den geplanten Öko-Regeln und den bewährten Maßnahmen der bayerischen Agrarumweltprogramme. Im Vorfeld der Bundesratsberatungen hat sich Heidl deshalb  an Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und aktuell auch an die Staatsregierung gewandt.

Denn die Pläne der Bundesregierung zu den neuen Öko-Regeln („Eco-Scheme“) könnten vor allem etliche Maßnahmen im Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) und auch Punkte im Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) aushebeln. Denn die Bundesregierung würde bei Eco-Scheme vergleichbare Maßnahmen vorsehen, womit dann laut der bisherigen Aussagen der Landwirtschaftsministerien dies dann bei Länderagrarumweltprogrammen wie KULAP und VNP nicht mehr in der zweiten Säule mit zusätzlichen Prämien neben den Direktzahlungen der ersten Säule bestehen kann.

Bis zu 30.000 Betriebe und KULAP- und VNP-Prämien von bis zu 60 Mio. Euro pro Jahr wären betroffen. Heidl fordert, dass die Staatsregierung im Bundesrat stattdessen eine Regelung auf den Weg bringt, damit kleinstrukturierte Flächen angerechnet werden und einzelflächenbezogene Eco-Scheme-Maßnahmen für Futterbau- und Tierhaltungsbetriebe ermöglicht.

 

© BBV
Manfred Weber bei KO/KB-Tagung
EVP-Fraktionsvorsitzender Manfred Weber im Gespräch mit Landesbäuerin Anneliese Göller, Bauernpräsident Walter Heidl und den Kreisehrenamtlichen des Bayerischen Bauernverbandes.

Neben diesen Problemen wurde bei der gemeinsamen Tagung der Kreisbäuerinnen und Kreisobmänner des Bayerischen Bauernverbandes am 4. Mai 2021 mit Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament und stellvertretender CSU-Vorsitzender, über die Zukunft der EU-Agrarpolitik diskutiert.

Unverständlich ist, dass das EU-Parlament auf einer Pflichtanwendung des „aktiven Landwirts“ beharrt. Hier besteht die große Sorge, dass am Ende diversifizierte Betriebe und Nebenerwerbslandwirte von den EU-Agrarzahlungen künftig ausgeschlossen werden. Aktuell ist eine letzte Sonderverhandlungsrunde – der sogenannte Super-Trilog – für 25. / 26. Mai geplant.

Bauernpräsident Walter Heidl machte deutlich, dass die Regelungen zum „aktiven Landwirt“, die insbesondere diversifizierte Betriebe und Landwirte im Nebenerwerb betreffen würden, in Deutschland nicht zur Anwendung kommen dürfen. Zudem schlug Heidl vor, dass bei den künftigen Öko-Regelungen („Eco-Scheme“) die kleinen Strukturen in den bayerischen Fluren angerechnet und berücksichtigt werden müssen.

Zudem hat der Deutsche Bauernverband zusammen mit den 18 Landesbauernverbänden einen eigenen Vorschlag für das „Eco-Scheme“ mit einzelbetrieblichen Förderbudgets vorgelegt. Diesem Vorschlag zufolge könnte jeder Landwirt Maßnahmen auswählen und kombinieren. Über das Förderbudget ist gesichert, dass die Maßnahmen angemessen und verlässlich entlohnt werden. Eine nachträgliche Kürzung der Förderung wegen einer Überausschöpfung der Eco-Scheme ist ausgeschlossen. So würde Vertrauen und Berechenbarkeit für Landwirte und die Antragsbehörden geschaffen.
 

© Grecaud Paul - fotolia.com
Die EU Flaggen wehen in Brüssel

Für die Festlegung des EU-Rahmens zur inhaltlichen Gestaltung der EU-Agrarpolitik (GAP) ab 2023 bemüht sich der portugiesische Ratsvorsitz, jedoch sind die Verhandlungen mit EU-Parlament und EU-Kommission nach wie vor zäh. Die Beratungen laufen seit 10. November 2020. Aktuell gibt es noch deutliche Meinungsunterschiede bei einigen Punkten, die für die Praxis je nach Richtung der Details praxistauglich oder schwierig zu bewerten wären, zum Beispiel:

  • nichtproduktive Flächen (begrenzter Pflichtanteil von Bracheflächen bezogen rein auf Ackerland oder ansonsten auf alle Betriebsflächen)
  • Fruchtwechsel (Auslegung im Sinne von Anbaudiversifizierung oder jährlich eine andere Kultur auf Ackerflächen)
  • Einführung sozialer Kriterien (zum Beispiel Mindestlohn, Qualität der Unterbringung von Arbeitskräften)

als Voraussetzung für den Erhalt von EU-Direktzahlungen.

Der Fahrplan in Bundestag und Bundesrat

Eine Trilogeinigung kurz nach Pfingsten vorausgesetzt, könnte dann am 31. Mai ein Sonder-Agrarrat stattfinden und zudem dann in der Zeit vom 7. bis 25. Juni das EU-Parlament den neuen europäischen GAP-Rahmen formal beschließen. Danach müsste die EU-Kommission die politischen Ergebnisse in den kommenden rund vier Monaten in die europäischen Rechtsgrundlagen übertragen.

Die Bundesregierung hat am 13. April die Gesetzesentwürfe zur Umsetzung der GAP ab 2023 in Deutschland beschlossen und somit die Beratungen von Bundesrat und Deutschem Bundestag gestartet. Hier der Zeitplan:

  • 10.5. - Bundesrat: Agrarausschuss
  • 20./ 21.5. - 1. Lesung Bundestag
  • 28.5. - Bundesrat: erste Befassung 
  • 7.6. - Anhörung im Bundestag
  • ab 9.6. - Ausschussberatungen im Bundestag
  • 10./11.6. - 2. und 3. Lesung Bundestag (Abschluss)
  • 25.6. - Bundesrat: abschließende Befassung.

Was ist der Maßnahmen- und Verfahrensvorschlag von DBV und den 18 Landesbauernverbänden?

Maßnahmenvorschlag:

Nach dem Prinzip „Zusätzliche ökologische Leistungen brauchen eine ökonomische Basis!“ setzt sich der Bauernverband seit März bei der Politik für folgenden Ansatz beim Eco-Scheme in Deutschland ein:

  • Mehr Brache und Landschaftselemente“ Anrechnung von Brache, Landschaftselementen usw., die in Bezug zu allen Landwirtschaftsflächen eines Betriebes bestehen (über die Konditionalität hinaus), unter anderem:
    • Hecken
    • Feldgehölze
    • Baumreihe (zum Beispiel ab 5 Bäumen in Reihe)
    • Einzelbäume
    • Feuchtgebiete
    • Tümpel, Sölle, Dolinen
    • Feldraine
    • Trocken- und Natursteinmauern, Lesesteinwälle    
    • Fels- und Steinriegel
    • Terrassen
  • "Grünland-Klima-Bonus"
    • Betriebe mit Dauergrünlandanteil ab 75 % => erfüllen es per se (Umbruchverzicht)
    • Anrechnung zum Beispiel
      • mehrjähriges Ackerfutter (Umbruchverzicht; Einzelflächen),
      • Leguminosen (Einzelflächen) und
      • Extensivierung von Grünland (bisher nicht näher vertieft; Einzelflächen).
  • Mehr Blühstreifen / Blühflächen / Altgrasstreifen“ – Anrechnung aller entsprechenden Flächen oder Teilflächen im Betrieb (über die Konditionalität hinaus).
  • Bodenbedeckung und Vielfalt“: Anrechnung von Ackerflächen mit
    • Zwischenfrüchten
    • Grasuntersaaten
    • Leguminosen (klein- und großkörnig);
  • Sonderkulturen: Zwischenzeilen-Begrünungen
  • "Kleinstrukturen": Anrechnung von allen einzelnen Antragsflächen, deren Feldstücks- bzw. Referenzflächengröße den Durchschnitt des Bundeslands unterschreitet (Bayern: 1,8 ha).

 

Verfahrensvorschlag: Pauschalverfahren über einzelbetriebliches Ecoscheme-Budget

  • Betriebe sollen nach dem Maßnahmenvorschlag des DBV und der 18 Landesbauernverbände sowie den ergänzenden Überlegungen einzelbetrieblich wählen und kombinieren können, so dass sie ihr betriebsindividuelles Eco-Scheme-Budget abdecken.
  • Dann erhalten sie für all ihre Betriebsflächen den durchschnittlichen Eco-Scheme-Prämiensatz von rund 65 Euro/ha in Deutschland.
  • So würde verhindert, dass einzelne Betriebe quasi für alle Betriebsflächen zum Beispiel Brache machen, weil sie dann je ha LF zum Beispiel (einfache, unverbindliche Annahme) je 800 €/ha ihrer Eco-Scheme-Fläche neben Basisprämie und Erste-Hektare-Zuschlag sowie zum Beispiel Ausgleichszulage erhielten. Dieser Fehlanreiz entfällt.
  • Der Ansatz würde eine breitere Verteilung der Umsetzung von Eco-Scheme ermöglichen.
  • Betriebsindividuelles Eco-Scheme-Budget:
    Betrieb mit 30 ha LF    =>    30 ha x 65 €/ha =     1.950 Euro
    Betrieb mit 50 ha LF    =>    50 ha x 65 €/ha =     3.250 Euro
    Betrieb mit 150 ha LF    =>     150 ha x 65 €/ha =     9.750 Euro
    Betrieb mit 500 ha LF    =>    500 ha x 65 €/ha =     32.500 Euro
  • Umsetzungsmöglichkeiten: Betrieb mit 50 ha LF
    Die Ansatzpunkte sind einfache, unverbindliche Annahmewerte, um das Funktionieren des Modells darzulegen:
    • 8 Feldstücke < 1,8 ha: 9 ha => 9 ha x 100 €/ha     = 900 Euro
    • Betrieb hat 8 Feldstücke, die kleiner als die durchschnittliche
    • Feldstückgröße bzw. Referenzflächengröße des Bundeslandes sind und die bei ihm insgesamt 9 Hektar umfassen.
    • 10 ha Kleegras: 18 ha => 19 ha x 100 €/ha     = 1.000 Euro
    • Landschaftselemente im Betrieb: 0,8 ha => 0,8 ha x 800 €/ha     = 640 Euro
    • Einrichtung von Altgrasstreifen am Waldrand und zu angrenzendem Heckensaum: 0,45 ha => 0,45 ha x 1.800 €/ha     = 810 Euro

Eco-Scheme-Umsetzung            Summe    3.350 Euro

einzelbetriebliches Eco-Scheme-Budget     3.250 Euro

Eco-Scheme-Zahlung: Betrieb 50 ha LF =>     3.250 Euro.

Damit erhält der Betrieb für seine 50 ha je 65 Euro/ha an Eco-Scheme-Prämie, weil er mit seiner Umsetzung sein Eco-Scheme-Budget abdeckt. Er kann aber mit den Maßnahmen nicht darunter bleiben, dann würde er denn Anspruch für die 65 Euro/ha an Eco-Scheme-Prämie nicht erfüllen. Wenn er „deutlich mehr als nötig“ umsetzen würde, würde es auch bei 65 Euro/ha für die 50 ha Betriebsfläche bleiben, womit regionale Fehlentwicklungen vermieden werden könnten.

 

Was sind die Vorschläge der Bundesregierung zu Eco-Scheme (Ökoregelungen)?

Das geplante Maßnahmen-Paket der Bundesregierung sieht Folgendes vor:

  • Nicht-produktive Flächen als Biodiversitätsbeitrag
    • Ackerland: Brache, Blühstreifen / -flächen
      • Dauergrünland: Altgrasstreifen / -flächen
        • Dauerkulturen: Blühstreifen / -flächen
  • Ackerbau: Vielfältige Fruchtfolge mit mind. 5 Hauptfrüchten inkl. mind. 10 % Leguminosen
  • Dauergrünland: extensive Nutzung im gesamten Betrieb (ohne nähere Interpretation bisher)
  • Dauergrünland: extensives mit mind. 4 regionalen Kennarten
  • Acker- / Dauerkultur: Verzicht auf Pflanzenschutzmitteleinsatz bei einzelnen Kulturen
  • Ackerland: Agroforst-Streifen / -Teilflächen
  • Landwirtschaftsflächen in Natura-2000-, Naturschutz- oder auf geschützten Bio-topflächen: bestimmte, noch nicht nähere definierte Bewirtschaftungsmethoden.

 

Bundesländer vor allem mit starken Länderagrarumweltprogrammen wären hier vom „Kannibalisierungseffekt“ erheblich betroffen, zum Beispiel:

  • Bayern: bis zu 60 Mio. Euro/Jahr über KULAP und VNP
  • Baden-Württemberg: ca. 41 Mio. Euro/Jahr beim FAKT
  • Nordrhein-Westfalen: ca. 45 Mio. Euro/Jahr (Fruchtfolge / extens. Grünland)
  • Thüringen: Verlust bis zu 80% des heutigen KULAP (Fruchtfolge / artenreiches Grünland)

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung würde zum Beispiel bei den bayerischen Agrarumweltprogrammen folgende KULAP- bzw. VNP-Maßnahmen aushebeln und beschädigen, die rund 30.000 Landwirte als Vertragspartner freiwillig umsetzen und bis zu 60 Mio. Euro/Jahr an Leistungsprämien ausmachen:

KULAP

  • extensive Grünlandnutzung im Betrieb bis 1,4 GV/ha
  • extensive Grünlandnutzung im Betrieb bis 1,76 GV/ha
  • extensive Grünlandnutzung entlang von Gewässern bei Einzelflächen
  • Erhalt artenreiches Grünland
  • Extensive Grünlandnutzung (bis 1.7. keine Nutzung)
  • Anlage von Altgrasstreifen
  • vielfältige Fruchtfolge mit mindestens 5 Kulturen und mindestens 10 % Legumi-nosen
  • vielfältige Fruchtfolge mit mindestens 5 Kulturen und mindestens 10 % großkör-nige Leguminosen
  • jährlich wechselnde Blühflächen
  • Verzicht auf Herbizide bei bestimmten Kulturen

 

VNP: Aushebelungsgefahr besteht hier vor allem wegen des Eco-Scheme-Vorschlages der Bundesregierung „gewisse Bewirtschaftungsmethoden auf Flächen in Natura-2000-, Naturschutzgebieten und bei geschützten Biotopen“, zum Beispiel bei:

  • Extensive Ackernutzung für Feldbrüter und Ackerwildkräuter
  • Brachlegung auf Acker mit Selbstbegrünung aus Artenschutzgründen
  • Zusatzleistungen: Verzicht auf jegliche Düngung / Verzicht auf Mineraldünger und organische Düngemittel