Landwirt bringt Dünger auf seinem Feld aus
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Position: Familienbetriebe brauchen praxistaugliche Düngeverordnung!

Position des BBV-Präsidiums zur Düngeverordnung und Fortführung der Derogation

24.07.2014 | In der entscheidenden Beratungsphase zur Novelle der Düngeverordnung muss die praxistaugliche Umsetzung für bäuerliche Familienbetriebe und für die vielfältigen Verhältnisse in Bayern die Leitlinie von Politik und Ministerien sein.

Die Bauern wollen mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung die bestmögliche Nährstoffversorgung der Pflanzen gerade über Wirtschaftsdünger im Sinne der Kreislaufwirtschaft sicherstellen.

Deshalb bekräftigt das Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes seine Stellungnahmen vom 30. Januar 2013, 18. Juli 2013 und 18. März 2014. Für qualitativ hochwertige Nahrungs- und Futtermittel muss auch künftig eine ausreichende Nährstoffversorgung der Pflanzen auf Acker- und Grünland sichergestellt werden. Gleichzeitig unterstützt der Berufsstand, über Beratung, Information und Ausbildung die Düngung weiter zu optimieren. Die bayerische Landwirtschaft setzt zudem auf die bewährte, freiwillige Kooperation, um zum Beispiel über die Maßnahmen des bayerischen Agrarumweltprogramms KULAP auch weitere Verbesserungen beim Gewässerschutz zu erzielen.

Das Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes bemängelt, dass die Kritik der EU-Kommission über unzureichende Fortschritte bei der Wasserqualität in Deutschland auf einem nicht repräsentativen Messnetz basiert. Das von Bund und Ländern verwendete Belastungsmessnetz mit knapp 170 Messstellen ist nicht geeignet, ein aussagekräftiges Bild über die Gewässerqualität in Deutschland zu vermitteln, da es lediglich aus Messstellen an Problemstandorten besteht. Demgegenüber bestätigt das für Deutschland repräsentative sogenannte EUA-Messnetz mit rund 800 Messstellen, dass der strenge Trinkwassergrenzwert für Nitrat an über 85 % der Messstellen eingehalten wird. Und diese repräsentativen Fakten hat das Bundesumweltministerium in 2012 für den EU-Nitratbericht nach Brüssel gemeldet. Das Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes fordert daher mit Nachdruck, die Datengrundlage des nationalen Nitratberichtes zu verbreitern und auf ein repräsentatives Messnetz umzustellen.

Das Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes fordert, dass sich das Düngerecht auch in Zukunft am Düngebedarf landwirtschaftlicher Kulturen orientiert und in der Praxis der Betriebe umsetzbar sein muss. Im Einzelnen fordern die Mitglieder des Präsidiums:

  1. Ausreichende Nährstoffversorgung ohne überflüssige Bürokratie sicherstellen

    Das in Deutschland bewährte und fachlich gerechtfertigte System der bedarfs- und standortgerechten Düngung muss auch in Zukunft Bestand haben. Die von der EU-Kommission in die Diskussion eingebrachten starren Obergrenzen für die Düngung würden die Erträge und das Qualitätsniveau in Deutschland beispielsweise beim Anbau von Brotweizen und Gemüse gefährden. Die Düngebedarfsermittlung muss sich weiterhin an der tatsächlichen Ertragserwartung orientieren und darf nicht in unverhältnismäßiger Weise bürokratisiert werden. Sofern eine Dokumentation der Düngeplanung künftig nicht vermieden werden kann, sollte diese nur für Betriebe verbindlich werden, die den zulässigen Überschuss bei Nährstoffvergleichen überschreiten. So kann zusätzliche Bürokratie auf das Notwendigste begrenzt werden. Zudem muss es möglich sein, die Dokumentation Kulturartspezifisch durchzuführen, sodass nicht für jeden Schlag einzeln Dokumentationspflichten entstehen.

    Speziell für den Gemüsebau mit einem breiten Kulturspektrum und einem oftmals kleinflächigen satzweisen Anbau müssen einfache Lösungen gefunden werden.
     
  2. Effiziente Nutzung des Stickstoffs aus Wirtschaftsdüngern und Derogation

    Das Ziel, den Nährstoffbedarf landwirtschaftlicher Kulturen so weit wie möglich mit wirtschaftseigenen Düngemitteln decken zu können und damit Kreisläufe zu schließen, ist zu berücksichtigen. Naturwissenschaftlichen Fakten, dass die Kreislaufwirtschaft mit wirtschaftseigenen organischen Düngemitteln aufgrund von natürlichen Prozessen zu unvermeidbaren Verlusten führt – im ökologischen ebenso wie im herkömmlichen Landbau, muss bei der Novelle der Düngeverordnung Rechnung getragen werden.

    Bei der Derogation können Betriebe bei hohem Nährstoffbedarf auf Grünland über einen speziellen Bedarfsnachweis bis zu 230 kg Stickstoff aus Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft zur Düngung nutzen. Diese Regelung hat sich bewährt und findet auch bei Umweltpolitikern Unterstützung. Selbst die Generaldirektion Umwelt in Brüssel würdigt in Fachgesprächen, dass das bisherige Verfahren bei der Derogation mit speziellem Bedarfsnachweis usw. eine gut begründete Regelung ist. Die Derogationsregelung muss deshalb umgehend verlängert, auch auf Ackerland erweitert und für einen höheren Stickstoffbedarf fortentwickelt werden, um der Kreislaufwirtschaft und der Ressourceneffizienz im Sinne der Nachhaltigkeit besser nachzukommen. Es sollte zudem geprüft werden, inwieweit zur Vereinfachung landkreisweite Sammelanträge zur Beantragung der Derogation möglich sind, um die einzelnen Betriebe von der Bürokratie zu entlasten.

    Mit Blick auf die Obergrenze für Stickstoff aus Wirtschaftsdüngern in Höhe von 170 kg N/ha weist das Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes darauf hin, dass grundsätzlich für eine Einbeziehung der pflanzlichen Gärreste keine EU-rechtliche Grundlage und Notwendigkeit besteht. Bereits heute müssen die Nährstoffe aus pflanzlichen Gärresten in die Nährstoffbilanzierung der Betriebe einbezogen werden. Einer fachlichen Gleichbehandlung von Gülle und Gärresten steht das Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes offen gegenüber. Wenn die Politik aber die pflanzlichen Gärreste entgegen den europäischen Vorgaben in eine Stickstoffobergrenze einbeziehen möchte, muss dann zwingend eine nationale Öffnungsklausel für pflanzliche Gärreste zur Ausbringung auf Acker- und Grünland eingerichtet werden, um den Nährstoffbedarf in bestimmten Fruchtfolgen abdecken zu können.

    Vergleichbar der bekannten Derogationsregelung sollte es auch bei Gärresten möglich sein, im Sinne der Kreislaufwirtschaft einen Nährstoffbedarf von mindestens 250 kg Stickstoff je Hektar mit wirtschaftseigenen Düngern decken zu können.
     
  3. Planungssicherheit bei der Lagerkapazität

    Erst vor wenigen Jahren wurde bundesweit die Pflicht für eine sechsmonatige Lagerkapazität geschaffen. Eine darüber hinausgehende pauschale Ausdehnung der Lagerkapazität ist für die bäuerlichen Familienbetriebe in Bayern nicht akzeptabel. Die bestehenden Länderregelungen hinsichtlich der Lagerung von Wirtschaftsdüngern machen keine Regelung über die Bundesanlagenverordnung erforderlich.  
     
  4. Herbstdüngung und regionale Flexibilität weiter ermöglichen

    Von wesentlicher Bedeutung für die landwirtschaftliche Praxis in Bayern sind daneben die geplanten Regelungen für die Ausbringung von Düngemitteln im Herbst. Weiterhin sind eine umweltverträgliche Herbstdüngung und eine initialisierende Nährstoffgabe zum Rotteprozess bei Stroh wie zum Beispiel von Körnermais zu ermöglichen. Ein ursprünglich von der EU-Kommission gefordertes vollständiges Verbot der Herbstdüngung lehnt der Bayerische Bauernverband als fachlich nicht gerechtfertigt und überzogen ab. Es ist auch nicht vermittelbar, dass bei sich ausweitenden Vegetationsperioden die Sperrfristen ausgedehnt werden sollen.

    Die unterschiedlichen Klima-, Boden- und Wuchsbedingungen innerhalb Bayerns und Deutschlands machen eine flexible Regelung erforderlich. Maßstab sollte neben dem Nährstoffbedarf der Kulturen insbesondere die Praxistauglichkeit sein und keine starren Sperrfristen. Die auf Bundesebene bislang diskutierten Ausnahmen bedürfen einer Ausweitung. Bei den vorgesehenen Ausnahmen sind die Aussaatfristen wie zum Beispiel für Getreide bis 1. Oktober zu eng gesetzt. In Bayern wird vielfach Getreide erst später gesät. Eine Düngung bis zur Sperrfrist muss hier wie bisher mindestens bei einer Saat bis Mitte Oktober möglich sein.

    In verschiedenen Regionen Bayerns sind Flächen im Frühjahr zum Vegetationsstart der Kulturen nicht in jedem Fall mit Ausbringtechnik für Wirtschaftsdünger befahrbar. Die Situation würde sich mit den diskutierten Änderungen bei der Gerätetechnik weiter verschärfen. Damit Nährstoffe rechtzeitig zur Verfügung stehen, ist in diesen Fällen eine Herbstausbringung notwendig. Im Falle der Ausbringung bei niedrigen Bodentemperaturen im Herbst werden die Nitrifizierung und die Verlagerung von Stickstoff vermindert. Ferner sollte die Ausbringung von Wirtschaftsdüngern im Herbst unter Zugabe von Nitrifikationshemmern zugelassen werden.

    Die bisher mögliche regionale Verschiebung der Sperrfrist sollte künftig für Grünland und Ackerland möglich sein.

    Mit Blick auf die Einarbeitungsfrist von vier Stunden ist die Forderung, dass die bisherigen Vollzugshinweise weiterhin Gültigkeit haben sollten. Um gasförmige Verluste möglichst gering zu halten, ist eine schnellstmögliche Einarbeitung sinnvoll. Diese kann durch nicht vorhersehbare Witterungsereignisse aber auch durch weitere Vorkommnisse wie technische Defekte verzögert werden. Für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Einarbeitung vorliegt, ist zudem auch die der Aufbringung folgende Witterung zu berücksichtigen. Insbesondere kann bei Regen oder bei einer Aufbringung bei niedrigen Temperaturen (z.B. am Abend) von geringen Ammoniakemissionen ausgegangen werden.

    Daneben muss die Ausbringung von flüssigen Wirtschaftsdüngern bei gefrorenen Böden weiter ermöglicht werden, wenn tagsüber die oberste Bodenschicht auftaut und die Nährstoffe somit dort aufgenommen werden können. Gerade so kann auch die Bodenstruktur geschont werden.
     
  5. Natürliche Prozesse berücksichtigen

    An der Realität vorbei gehen zudem Forderungen der EU-Kommission, die zulässigen Bilanzüberschüsse weiter zu verschärfen. Auch Bestrebungen, die Ansatzpunkte für unvermeidbare, stoffliche Verluste herabzusetzen, sind angesichts natürlicher Prozesse bei der Verwertung von Wirtschaftsdüngern nicht sachgerecht. Die bayerischen Landwirte sind bestrebt, die Effizienz der Düngung weiter zu steigern.
     
  6. Verständliche und handhabbare Definitionen

    Verständliche und praxistaugliche Regelungen zur Ausbringung bzw. zum Verbot der Ausbringung von Düngemitteln sind erforderlich. Das Ziel, Nährstoffeinträge in Gewässer zu vermeiden, wird ausdrücklich unterstützt. Damit die Landwirte nicht vor unlösbare Probleme in der Düngemittelanwendung gestellt werden, bedarf es verständlicher und handhabbarer Definitionen für die Verbote des Ausbringens auf „durchgefrorenem“ bzw. „schneebedecktem“ Boden sowie für die Regelungen zur Düngung auf hängigem Gelände. Die aktuell diskutierten Verschärfungen für hängige Flächen ab fünf Prozent und ab zehn Prozent Hangneigung sind praxisfremd und deshalb zu kritisieren, da sie theoretisch und in der Praxis zu kompliziert wären.
      
  7. Kein zusätzlicher Strukturwandel durch Verschärfungen der Ausbringtechnik

    Emissionsmindernde Ausbringtechnik ist im Sinne der Landwirte. Eine pauschale Vorgabe der Technik durch die Düngeverordnung lehnt das Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes jedoch ab. Erforderlich ist es, naturräumlich und agrarstrukturell begründete Regelungen zu ermöglichen. Gerade zur Sicherung der Nutztierhaltung in naturräumlich benachteiligten Gebieten sowie Bergregionen und der dortigen Strukturen der Landwirtschaft muss zeitlich unbegrenzt auch einfache, eigenbetrieblich verfügbare Ausbringtechnik einsetzbar sein. Vorgaben bei der Verteil- und Dosiergenauigkeit für vorhandene und neue Geräte werden als sachlich völlig überzogen abgelehnt. Der Berufsstand warnt hier vor einer zusätzlichen Geräteprüfungs-Bürokratie.   
     
  8. Düngeverordnung als Grundanforderung

    Die Düngeverordnung muss wie bisher die Grundanforderungen an Düngung und Gewässerschutz regeln. Sie darf nicht dazu missbraucht werden, lokale Defizite im Gewässerschutz zu lösen. Lokale Situationen, bei denen der Bedarf nach Verbesserungen beim Gewässerschutz besteht, sind individuell anzugehen und als Projekte über kooperative Ansätze mit den berührten Landwirten vor Ort zu lösen. Gerade auch die vielfältigen Maßnahmen des ab 2015 neuen Bayerischen Kulturlandschaftsprogramms – freiwilliger Agrarumweltmaßnahmen – bieten sich dafür an.

    Die Methode, „alles über einen Kamm zu scheren“, würde einer sachorientierten Politik nicht gerecht. Lokale Defizite sollten auch lokal insbesondere durch Agrarumweltmaßnahmen und Projekte angegangen werden. Damit die für ganz Deutschland geltende Düngeverordnung die unterschiedlichen örtlichen und betrieblichen Gegebenheiten besser widerspiegelt, könnten aus Sicht des Bayerischen Bauernverbandes innerhalb der grundsätzlich einheitlichen Düngeverordnung je nach Vorgabe regionale bzw. standort- und betriebsbezogene Abstufungen und Ausnahmemöglichkeiten bei einzelnen Regelungen geprüft und ermöglicht werden.