Biene auf Blüte
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„Insektensterben“: Daten lückenhaft, Ursachen unklar

Einseitige Vorwürfe gegen Landwirtschaft haltlos, weitere Forschung dringend nötig

26.10.2017 | In den letzten Tagen hat das „Insektensterben“ die Schlagzeilen dominiert. Laut einem Wissenschafts-Magazin verringerte sich von 1989 bis 2016 die „Biomasse“ der fliegenden Insekten um 76 Prozent. Doch weitere Forschung bleibt dringend nötig!

Bereits im Juli hatten Beobachtungen des „Entomologischen Vereins“ aus Krefeld hohe Wellen geschlagen. Dafür wurden in einem Naturschutzgebiet bei Krefeld mehrere Fallen aufgestellt. Beim Vergleich der Ergebnisse aus dem Jahr 1989 mit Ergebnissen im Jahr 2013 wurde an zwei Standorten ein Rückgang bei der Biomasse der gefangenen Insekten von über 70 Prozent festgestellt.

Auch die aktuellen Meldungen gehen auf die Krefelder Forscher zurück. Über 27 Jahre hinweg wurden Insekten in 63 Naturschutzgebieten gefangen. Die Ergebnisse wurden nun für einen Beitrag in einem Wissenschafts-Magazin von Forschern aus Deutschland, den Niederlanden und England zusammengefasst. Demnach verringerte sich die „Biomasse“ der fliegenden Insekten von 1989 bis 2016 angeblich um 76 Prozent.

Allerdings ist zu beachten, dass nur an wenigen Orten tatsächlich in unterschiedlichen Jahren Fallen aufgestellt wurden und damit teils „Äpfel mit Birnen verglichen werden“. Kritik an dem Untersuchungsdesign und den pauschalen Aussagen kommt zum Beispiel vom SPIEGEL und vom kritischen Wissenschafts-Blog „Science Files“.

Die drei entscheidenden Fragen:

1. Kann auf dieser Datengrundlage von einem „Insektensterben“ in Deutschland gesprochen werden?
Um Aussagen darüber machen zu können, wie sich die Anzahl der Insekten verändert hat, benötigt man Messungen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten an denselben Orten durchgeführt wurden. Die Autoren der Studie allerdings haben solche Daten nicht und schreiben das auch selbst.

Vielmehr basieren die Aussagen auf Daten, die zwischen 1989 bis 2016 an insgesamt 63 Orten gesammelt wurden. Die meisten Standorte wurden nur in einem Jahr des Studienzeitraums untersucht, einige in zwei, drei oder vier Jahren. 57 Orte befinden sich in Nordrhein-Westfalen, einer in Rheinland-Pfalz und fünf in Brandenburg. So wurden über 27 Jahre hinweg Daten an verschiedenen Orten gesammelt, von denen nicht bekannt ist, ob sie in irgendeiner Weise für Deutschland repräsentativ sind.


2. Kann man von einem Rückgang der Insekten um 76 Prozent sprechen?
Um zu der Aussage zu gelangen, dass die Zahl der Insekten um 76 Prozent zurückgegangen ist, haben die Wissenschaftler die Daten für 2016 und 1989 verglichen. Jedoch kann die Insektenpopulation je nach Witterung und Temperatur von Jahr zu Jahr stark variieren. Vergleicht man zum Beispiel die Zahlen von 2014 und 1989, so war ein Rückgang von 23 Prozent festzustellen.

 

3. Werden von den Forschern die Ursachen für den Rückgang benannt?
Auch wenn viele Journalisten und Politiker versuchen einen anderen Eindruck zu vermitteln: Die Wissenschaftler können keinerlei Aussagen zu den Ursachen ihrer Beobachtungen treffen. Vielmehr rufen die Forscher zum Abschluss ihres Beitrags dazu auf, die Ursachen des Insekten Rückgangs zu untersuchen. Außerdem ist zu beachten, dass ausschließlich Flächen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg betrachtet wurden.

 

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Ein Schmetterling sitzt auf den Blüten eines Busches

Aus diesen Gründen hat der Bayerische Bauernverband gegenüber Medienvertretern deutlich gemacht, dass sich einseitige Schuldzuweisungen in Richtung Landwirtschaft verbieten. Wer angesichts dieser Faktenlage trotzdem versucht, einfach der Landwirtschaft den schwarzen Peter zuzuschieben, ist unglaubwürdig und verkennt die Dimension des Problems – auch und gerade für die Landwirtschaft.

Vielmehr muss der mögliche Rückgang bei der Insektenpopulation genauer untersucht werden. Insbesondere müssen dabei die Einflussfaktoren Industrie und Verkehr sowie die Auswirkungen des Klimawandels und des enormen Flächenverbrauchs berücksichtigt werden.

Denn während beispielsweise der Flächenverbrauch weiter ansteigt und Deutschland wiederholt seine Klimaschutzziele verfehlt hat, engagieren sich die Landwirte in enormem Maße für den Umwelt- und Naturschutz: Jeder zweite Landwirt in Bayern hat sich – freiwillig und über das hohe gesetzlich vorgeschriebene Niveau hinaus – vertraglich zu besonderen Leistungen für den Umwelt- und Naturschutz verpflichtet. Jeder dritte Hektar wird in Bayern so gemäß der Agrarumweltmaßnahmen (KULAP und VNP) bewirtschaftet.

Dass dieses Engagement wirkt, zeigt sich auch anhand von Zahlen: So sind laut Bayerischem Artenschutzbericht 2010 auch 80.000 der insgesamt 100.000 in Deutschland heimischen Arten in Bayern daheim. Darüber hinaus bestätigt das bayerische Umweltministerium in einem aktuellen Bericht, dass 700.000 Hektar an KULAP-Flächen ganz besonders zur Biodiversität beitragen. Über das bayerische Vertragsnaturschutzprogramm kommen nochmals rund 80.000 Hektar mit besonderen Naturschutzmaßnahmen hinzu, wo sich Bauern freiwillig engagieren.