Mercosur auf der Zielgeraden?
Möglicherweise Abstimmung im EU-Rat noch vor Weihnachten
Auf dieser Seite:
- Aktueller Stand und Kritik
- Über das Mercosur-Abkommen
- Inhalte des Abkommens
- Überblick über Einsatz und Positionen des Bauernverbandes zum Mercosur-Abkommen
Wo das Abkommen aktuell steht und wie es weitergehen könnte
Anfang September hat die EU-Kommission den Ratifizierungsprozess in der EU angestoßen. Nachdem die EU-Kommission das Abkommen gesplittet hat, muss der für die Landwirtschaft besonders relevante Handelsteil nur im Europäischen Parlament und im EU-Rat abgestimmt werden und nicht auch in den Parlamenten der einzelnen EU-Mitgliedstaaten. In beiden Gremien reichen die klassischen Mehrheiten, d.h. einfache Mehrheit im Europäischen Parlament und doppelte Mehrheit im EU-Rat. Doppelte Mehrheit heißt, dass hinter der nötigen Mehrheit bezogen auf die Anzahl der EU-Staaten auch eine Mehrheit der EU-Bevölkerung stehen muss. Es ist derzeit durchaus als wahrscheinlich einzustufen, dass der EU-Rat diese Abstimmung bei seinem Gipfel am 18./19.12. vornehmen wird. Kritisch bzw. ablehnend positionieren sich bisher nur Frankreich, Österreich und Polen. Dies würde für eine Sperrminorität aber nicht ausreichen.
Wenn der EU-Rat das Abkommen annimmt, würde dann EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nach Brasilien reisen, um dort für die EU zu unterschreiben. Dann geht es weiter mit der Ratifizierung in den Mercosur Staaten. Dort müssen die nationalen Regierungen oder Parlamente zustimmen. Und in der EU muss dann noch das Europäische Parlament zustimmen. Dies erwarten Experten ca. für März/April 2026. Damit wäre die Ratifizierung des Handelsteils abgeschlossen, und das Abkommen könnte in Kraft treten.
Begleitende Schutzklauselverordnung: Aktueller Stand und möglicher Nutzen
Parallel zu diesem Ratifizierungsprozess läuft die Abstimmung über eine separate, das Mercosur-Abkommen begleitende Schutzklauselverordnung. Diese beinhaltet Schutzmaßnahmen, die in Kraft treten können, wenn z.B. gewisse Preisrückgänge bei sensiblen Produkten eintreten.
Der BBV ist jedoch skeptisch, ob diese Maßnahmen tatsächlich ausreichenden Schutz bieten können. Auf jeden Falls sind sie aber kein geeigneter Ersatz für die vom BBV geforderten Prozessqualitätsstandards für Importe.
BBV-Forderungen für eine Schutzklauselverordnung, die wirklich schützt
Der BBV wird sich aktuell aber auch noch einmal an die Europaabgeordneten wenden und zumindest Nachbesserungen bei den Kriterien im Rahmen dieser Schutzklauselverordnung einfordern:
- So müssen die Auslöseschwellen früher greifen (bei über 5 % Importzunahmen bzw. Preisrückgang der Importe statt erst bei über10 %),
- die Beobachtungsperiode vor Eingriffen muss kürzer sein (3 Monate statt im bisherigen Entwurf 6 Monate) und
- es braucht eine zeitliche Ausweitung der Anwendungsmöglichkeit (nicht nur wie von der EU-Kommission vorgeschlagen für die Übergangszeit der Einführung der Zollerleichterungen).
Das Europäische Parlament wird voraussichtlich am 16. Dezember über diese Schutzklauselverordnung abstimmen. Der Rat hat bereits grünes Licht gegeben, leider ohne zumindest Nachbesserungen vorzunehmen.
Fazit:
Der BBV hat sich während der jahrelangen Verhandlungen über das Mercosur-Abkommen stets dafür eingesetzt, dass Importe nicht nur gleiche Standards bei der Produkt- sondern auch bei der Prozessqualität einhalten müssen. Im Mercosur-Abkommen wird dies aber nicht umgesetzt. Wer hohe Ansprüche an die Landwirte in der EU hat, muss die gleichen Anforderungen auch an Importe stellen!
Diese Kritik wird der BBV zur wahrscheinlich noch vor Weihnachten bevorstehenden Abstimmung im Rat noch einmal deutlich herausstellen und sich auch an der COP-Demonstration am 18. Dezember in Brüssel beteiligen.
Über das EU-Mercosur-Abkommen
Die Verhandlungen der EU-Kommission mit den Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay) wurden Ende Juni 2019 abgeschlossen. Bei einem Gipfeltreffen am 5. und 6. Dezember in Montevideo (Uruguay) könnte das Mercosur-Handelsabkommen unterzeichnet werden.
Das Abkommen tritt erst in Kraft, wenn der Europäische Rat, das Europäische Parlament sowie alle Parlamente der 28 EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Würde das Abkommen aufgespaltet, wäre für den Handelsteil auch nur die qualifizierte Mehrheit im EU-Rat und keine Zustimmung nationaler Parlamente erforderlich. Der Bayerische Bauernverband lehnt eine solche Verfahrensänderung ab.
Bei einer Anhörung am 23. Juli 2019 im Agrarausschuss des EU-Parlaments kritisierten Vertreter aller wichtigen Fraktionen das Mercosur-Abkommen. Der französische Präsident Emanuel Macron hat eine Expertenkommission eingesetzt, die bis November eine Abschätzung zu den Folgen liefern soll. Je nach Einschätzung dieser Kommission will sich Macron zum Mercosur-Abkommen positionieren.
Inhalte des Mercosur-Abkommens
Das Abkommen beinhaltet einen schrittweisen Wegfall von 91 % der Zölle auf Produkte, welche die EU in die Mercosur-Staaten exportiert und von 92 % der Zölle auf Güter, welche die EU von dort importiert.
Für viele Produkte ist eine Übergangsphase von fünf bis neun Jahren vorgesehen, sodass der komplette Wegfall der Zölle 2028 oder 2029 folgen soll.
Rindfleisch: Zollreduziertes (7,5 % Zoll) Kontingent von 99.000 t für die Mercosur-Staaten, das schrittweise über fünf Jahre eingeführt wird.
Geflügelfleisch: Zollfreies Kontingent für 180.000 t für die Mercosur-Staaten, das schrittweise über fünf Jahre eingeführt wird.
Zucker: Zollsenkung für das bereits bestehende WTO-Zuckerkontingent in Höhe von 180.000 t von jetzt 98 €/t schrittweise über fünf Jahre auf Null.
Ethanol: Die EU gewährt eine Quote von 650.000 t für Ethanol. 450.000 t davon sind zollfrei und für die chemische Industrie vorgesehen. Für den Rest, der für jeglichen anderen Nutzen einschließlich Biokraftstoffe vorgesehen ist, soll ein Zollsatz von 6,4 €/hl für undenaturiertes und 3,4 €/hl für denaturiertes Ethanol gelten.
Soja: Auf die Sojaimporte hat das Abkommen keine Auswirkungen, da bereits ein freier Handelsstrom ohne Zölle möglich ist.
Schweinefleisch: Für Schweinefleisch frei von dem Futterzusatz Ractopamin ist eine Quote von 25 000 t mit einem Einfuhrzoll von 83 €/t vorgesehen.
Südamerika hat zudem einer vollen Öffnung für EU-Schweinefleisch zugestimmt.
Milchprodukte: Das Abkommen sieht eine Öffnung des südamerikanischen Marktes für Milchprodukte, allen voran Käse (30.000 t), aber auch Magermilchpulver (10.000 t) sowie Säuglingsanfangsnahrung (5.000 oder 10.000 t) vor. Die derzeitigen Zollsätze (von 12 bis 28 %) sollen innerhalb von neun Jahren komplett wegfallen. Mit Inkrafttreten des Abkommens würden sich die Zölle für Butter um 30 % sowie für Joghurts um 50 % verringern.
Positionierung des Bauernverbandes zum Abkommen
Der BBV hat die Verhandlungen über Jahre hinweg kritisch begleitet und immer wieder auf die Gefahren für die heimische Landwirtschaft hingewiesen. Regelmäßig hat das BBV-Präsidium in Stellungnahmen Position bezogen.