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Allgäuer Landräte fordern dringend Verstärkung für Veterinärämter

Gemeinsames Schreiben an den bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber

26.08.2019 | Die Allgäuer Landräte stellen sich vor die Landwirte, wehren sich gegen neue Kontrollbehörden und eine Kultur des Misstrauens, fordern eine Reduzierung der Bürokratie und eine Stärkung der örtlichen Veterinärbehörden.

Allgäu. „Dadurch dass das Umweltministerium seit Jahren die Augen vor dem krassen Missverhältnis zwischen Aufgabenfülle und Personal unserer Veterinärämter verschließt, nimmt es billigend in Kauf, dass Verstöße gegen das Tierschutzgesetz möglicherweise nicht sofort aufgedeckt und in vollem Umfang erkannt werden. Darüber hinaus verletzt es seine gegenüber den Mitarbeitern in den Veterinärämtern bestehende Fürsorgepflicht. Wir machen uns große Sorgen und bitten darum, dass unsere Forderungen nach mehr Personal von Seiten des Ministeriums endlich ernst genommen werden.“ Mit diesem dringenden Appell haben sich die vier Allgäuer Landräte Hans-Joachim Weirather (Unterallgäu), Maria Rita Zinnecker (Ostallgäu), Anton Klotz (Oberallgäu) und Elmar Stegmann (Landkreis Lindau) jetzt in einem gemeinsamen Schreiben an den bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber gewandt.

In dem sechsseitigen Brief stellen die vier Landräte die jahrelangen Bemühungen um eine angemessene Personalausstattung der Veterinärämter dar und fordern nochmals „dringend und unverzüglich“ Verstärkung.  „Tatsache ist - und da gibt es nichts zu beschönigen - dass unsere Veterinärämter hinsichtlich ihrer personellen Ausstattung vom Umweltministerium seit Jahren kläglich im Stich gelassen werden“, heißt es darin. Die Mitarbeiter seien teilweise an „der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt“. „Die Bemühungen um eine Verstärkung waren intensiv und die prekäre Situation wurde gegenüber dem Umweltministerium stets genauso drastisch beschrieben, wie sie sich darstellt.“ Um dem Umweltminister zu verdeutlichen, wie eindeutig die Hilferufe - gerade aus dem Unterallgäu - waren, zitieren die Landräte in ihrem Brief auch aus mehreren früheren Schreiben an das Umweltministerium:

 

  • …In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass bei einer defizitären Personalausstattung ggf. ein Organisationsversagen vorliegen wird.“
  • „Ihr Haus wurde in der Vergangenheit wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die hiesige Veterinärabteilung unter einer gravierenden personellen Unterbesetzung leidet und deswegen schon lange nicht mehr all die Aufgaben erfüllen kann, die im Laufe der Jahre angehäuft wurden. […] Ich bitte Sie wirklich eindringlich Ihrer Verantwortung für das amtstierärztliche Personal nicht länger aus dem Weg zu gehen.“
  • „Das Missverhältnis von Personal zu Aufgaben hat hier ein Maß angenommen, bei dem man im Falle von Versäumnissen nach unserem Dafürhalten regelmäßig von einem Organisationsverschulden ausgehen muss. Bitte sorgen Sie dafür, dass in der Frage der Personalbemessung objektive und nachvollziehbare Verteilungsschlüssel über ganz Bayern zur Anwendung kommen.“
  • „Angesichts des krassen Missverhältnisses zwischen Aufgabenmenge und vorhandenen Personalressourcen wird es meinen Amtstierärzten faktisch unmöglich gemacht, eine Garantenfunktion zu erfüllen.“
  • Da eine Abhilfe nicht einmal in weiter Ferne absehbar ist, will ich hiermit explizit darauf hinweisen, dass diese Mitteilung erneut als eine Überlastungsanzeige zu verstehen ist und dass trotz allem Bemühen, immer das gerade Wichtigste zu erledigen, weder ich noch meine Mitarbeiter eine Verantwortung dafür übernehmen können, wenn aus der geschilderten Situation sich irgendwelche konkreten, insbesondere auch öffentlichkeitswirksame Folgen ergeben sollten.“

 

All die Rufe, dass in den Allgäuer und auch den schwäbischen Landkreisen dringend weitere Amtstierärzte benötigt werden, seien jedoch ungehört verhallt. Der Freistaat Bayern habe vielmehr auf andere Weise reagiert, so die Landräte: „Statt zusätzlichem Personal wurden den Veterinärämtern über all die Jahre hinweg zusätzliche neue Aufgaben übertragen.“ Sollte dies gewünscht sein, bieten die Landräte dem Umweltminister auch an, Vorschläge zu machen, wie „aufgeblähte bürokratische Vorgaben auf ein erträgliches Maß“ reduziert werden könnten.

Dass immer dann, wenn etwas vermeintlich schief laufe, „eine neue Behörde beziehungsweise neue Kontrollstrukturen“ eingerichtet würden, sei hingegen nicht die Lösung. Der Freistaat Bayern befinde sich hier „auf einem Holzweg“. Von wirklicher Entlastung für die Veterinärämter könne durch die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) keine Rede sein - dies zeigten auch die bisherigen Erfahrungen. Die voraussichtlich geringen Auswirkungen der geplanten Ausweitung der  Aufgaben der KBLV erläutern die Landräte am Beispiel des Unterallgäus: Von über 1500 Rinderhaltern im Unterallgäu wäre die KBLV künftig voraussichtlich für vier Betriebe zuständig, in denen rund vier bis fünf Prozent der Rinder im Landkreis gehalten würden. „Wir brauchen - davon sind wir überzeugt - keine neuen Behörden oder zentralisierte Zuständigkeiten, wir brauchen vielmehr eine solide personelle Ausstattung der Veterinärämter“, so die vier Landräte.

„Unsere Mitarbeiter setzen täglich alles daran, um im Sinne der Verbraucher, der Landwirte und des Tierwohls ihren Aufgaben gerecht zu werden - bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten und teilweise darüber hinaus. Um die Fülle an Aufgaben, so wie es im Sinne des Tier- und Verbraucherschutzes richtig und angemessen wäre, erfüllen zu können, benötigen wir in den einzelnen Landratsämtern nun aber dringend und unverzüglich die schon so lange geforderten Verstärkungen.“

Davon abgesehen wehren sich die Allgäuer Landräte entschieden dagegen, dass die Allgäuer Landwirte „unter Generalverdacht“ gestellt würden. „Sie haben es verdient, dass ihnen für ihre gewissenhafte und verantwortungsbewusste Arbeit ein Grundvertrauen entgegengebracht wird.“ Leidtragende der aktuellen Diskussionen seien „die vielen landwirtschaftlichen Betriebe, die seit Generationen mit viel Herzblut, Sachverstand und Tierliebe geführt werden“.