Diskussionsrunde
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Auf dem Podium: (v. l.) Richard Mergner, Klaus Holetschek, Martin Schorer, Moderator Helmut Mader, Alfred Enderle, Berhard Pohl, Gisela Sengl.

Podiumsdiskussion „Rettet die Bauern“

Artenvielfalt nur, wenn alle mitmachen

03.07.2019 | „Rettet die Bauern“, hieß das Motto einer Podiumsdiskussion in Mittelrieden, zu der der BBV Unterallgäu eingeladen hat.

Neben Kreisobmann Martin Schorer saßen BBV-Bezirkspräsident Alfred Enderle, MdL Klaus Holetschek, MdL Gisela Sengl (Die Grünen), MdL Berhard Pohl (FW) sowie BN-Vorsitzender Richard Mergner. Es moderierte BBV-Geschäftsführer Helmut Mader.

„Das jüngste Volksbegehren ‚Rettet die Bienen‘ hat etwas fertiggebracht, was die Gemütslage der Landwirte sehr stark belastet“, sagte Schorer. „Früher wurde über Preise diskutiert und geschimpft, jetzt stehe fast nur noch das Volksbegehren mit seinen Auflagen im Vordergrund.“ Schorer befürchtet gar einen Strukturwandel, „wie wir ihn noch nie erlebt haben“.

Mader ist frustriert von verschiedenen Ergebnissen des „Runden Tisches“. So habe man 15 % statt 13 % an Biotopverbund bekommen und es gebe noch zu wenig Verbesserungen. Seine Forderung: Nicht nur Landwirtschaft, sondern alle Bereiche der Bevölkerung müssen sich am Artenschutz beteiligen! Auch Mader befürchtet weitere Betriebsaufgaben, weil die Bauern immer mehr „gegängelt“ würden. Er forderte die anwesenden Landtagsabgeordneten auf, beim Begleitgesetz zum Volksbegehren noch einiges zu verbessern!

Danach stellte Mader jedem Podiumsteilnehmer eine Frage. So wollte er von Enderle wissen: Was hat Sie in den letzten Monaten in dieser Frage besonders geärgert? „Obwohl wir ein Positionspapier für die Landtagsmitglieder erstellt haben, haben Söder und Aiwanger, ohne den BBV vorher zu informieren, das Gesetz eins zu eins durchgewunken, zu einer Zeit, als der ‚Runde Tisch‘ noch getagt hatte.

Warum hat sich Söder so weit von den Bauern entfernt? Darauf Holetschek: „Das Volksbegehren haben rund 1,7 Millionen Menschen unterschrieben, dies muss die Politik ernst nehmen“. Gleichwohl zeigte er Verständnis für die Unzufriedenheit der Bauern. Da komme viel zusammen. Die Probleme, die das Volksbegehren aufgeworfen habe, seien nur gemeinsam zu lösen. Die Diskussion müsse auf Augenhöhe mit den Landwirten erfolgen.

Ihr gehe es um Inhalte, nicht um Wählerstimmen. Es sei auch für die Grünen überraschend gewesen, dass es so gut gelaufen ist, sagte Sengl. Es gäbe auch Bauern, die sich dafür ausgesprochen haben. Hinzu kommen, dass sich Artenschwund vor allem in der Fläche abspiele, die eben weitgehend von Bauern bewirtschaftet wird. Privatflächen betreffe dies nur zu etwa zwei Prozent.

Pohl gab zu, dass die jetzige Lösung den Freien Wählern „sehr schwergefallen“ sei. Die Frage war, es auf eine Auseinandersetzung ankommen zu lassen. „Ich sage deutlich: Persönlich hätte ich lieber gekämpft und werde gegen die Übernahme des Volksbegehrens kämpfen, weil ich die Inhalte für falsch halte.“ Er sprach sich dagegen aus, den Landwirten die Schuld für den Artenschwund in die Schuhe zu schieben.

Mader stellte Mergner provokant die Frage: Der BN wolle, so in einem Interview, den privaten Gartenbesitzern nichts vorschreiben, den Bauern aber sehr viel. „Haben Sie Angst, dass Ihre Beliebtheit und Ihr Spendenaufkommen sinken könnten?“ Was dieser dann zurückwies! Wichtig sei, wie auch Schorer schon sagte, miteinander zur reden, die Aussagen ernst zu nehmen die anderen nicht mit Vorwürfen zu konfrontieren. Der BN-Chef plädierte für mehr regionale Wertschöpfung und „es muss auch von Interesse für uns alle sein, die Bauern und die Natur zu bewahren. Ich richte an den BBV den Apell, in dem Geist des Runden Tisches weiterzumachen und konstruktiv Lösungen zu suchen.“ Wichtig sei, dass die Landwirtschaft entlohnt werde für artgerechtes Wirtschaften. „Wenn der Strukturwandel so weitergeht, liegt das nicht am Volksbegehren, sondern an schlechten Preisen und weiterem mehr. Wir als BN wollen Lösungen mit Ihnen durchdiskutieren und ordentlich miteinander umgehen.“

Das Problem liege auch in den unkalkulierbaren Rahmenbedingungen, setzte Schorer fort. „Sowohl ein „kleinerer“ als auch ein „großer“ Bauer verfüge über gute fachliche Praxis. Es sei schon viel in Tierwohl investiert worden. Indes sei der Verbraucher nach wie vor nicht bereit, dies an der Ladentheke zu honorieren. Für mehr Auflagen müsse es auch mehr Geld geben.

Die Diskussion eröffnete Kreisbäuerin Margot Walser und sprach sich energisch gegen Spritzmittel in Privatgärten aus. Nicht verstehen könne sie, dass rund 150 neue Stellen in den Naturschutz- und Landwirtschaftsbehörden geschaffen werden sollen. Es gebe schon genug Kontrolleure. Das Artensterben sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nicht nur die Landwirte betrifft. „Es geht auf keine Kuhhaut, wie man mit uns umgeht“, schimpfte sie.

Der BN-Vorsitzende wehrte sich dagegen, den Naturschutz für die schlechte Lage in der Landwirtschaft verantwortlich zu machen, und schlug den Bauern eine gemeinsame Exkursion vor, um aufzuzeigen, wie stark die Natur schon geschädigt sei. Man finde im Allgäu fast keine Blumen und Schmetterlinge mehr. Nützlinge würden auch den Landwirten in ihrer Arbeit helfen. Margot Walser verwies darauf, dass nur durch die Landwirte, die die Natur pflegen, die Kulturlandschaft erhalten geblieben ist und immer noch erhalten wird. Sie spielte den Ball an Mergner zurück und forderte ihn auf zur Mitarbeit in der Landwirtschaft.

Im weiteren Verlauf plädierte Sengl für ein Insektizidverbot im Privatbereich. Die neuen 150 Mitarbeiter kämen nicht zur Bauernkontrolle, sondern um die Ausgleichsflächen in den Kommunen zu kontrollieren. Holetschek sieht weitere Kontrollen nicht als richtig an. Die gute fachliche Praxis müsse zählen.

Enderle reagierte auf eine Mergner Aussage, dass inzwischen mehr Bienen in den Städten als auf dem Land lebten: „Ein Märchen wird nicht wahr, auch wenn es ständig wiederholt wird.“ Richtig sei vielmehr, dass Stadtbienen in einem erbärmlichen Zustand seien.

Landwirt Karl Riegg (Tussenhausen) wies darauf hin, dass zwar rund 18 % das Volksbegehren unterschrieben haben – aber im Umkehrschluss 82 Prozent, die nicht unterschrieben hätten! Stellvertretender Kreisobmann Joachim Nuscheler griff das Walzverbot ab dem 15. März auf. Er befürchtet, dass es mit der jetzigen Regelung, dass die Bezirksregierung Ausnahmen erlassen dürfen, „ewig“ dauern wird, bis der Termin verschoben wird. Und überhaupt: „ Wenn 18 Prozent ein Gesetz durchbringen, dann bin ich im falschen Land. Ist das Ihr Demokratieverständnis?“, wandte er sich an Mergner und Sengl.

Der frühere Unterallgäuer Kreisobmann Gerhard Miller merkte an, dass die Subventionen für die Leistungen um die Kulturlandschaft und gesunde Lebensmittel bezahlt werden. Er mache schon freiwillig seit Jahren Blühstreifen und habe die „Durchwachsene Silphie“ schon angebaut, als sie noch niemand kannte. Auch habe der Bauernverband vor ein paar Jahren mehrere Zehntausend Unterschriften gegen den Flächenfraß gesammelt – was damals vom BN abgelehnt worden sei. Auch er plädierte unter dem Beifall der Bauern dafür, dass alle gesellschaftlichen Kräfte zum Artenschutz beitragen müssten.

„Der Bauernverband habe eine „brutale Kampagne gefahren“, sagte Mergner. So als ob enteignet würde und der Biomarkt zusammenbreche. Dies kommentierten Zwischenrufer, die sagten, „dies stimmt doch! Biomolkereien nehmen keine neuen Bauern mehr an!“ Trunzer Gerhard hatte errechnet, dass ihn die neue Mähregelung „von innen nach außen“ Mehrkosten im fünftstelligen Bereich kostet, da dies mehr Zeit erfordere. „Bekomme ich das Geld von irgendjemand ersetzt?“, wollte er wissen – wohl wissend, dass er darauf keine Antwort erhalten würde.

Landwirt Josef Schmid (Ettringen) wies darauf hin, dass sein Sohn und er beim Güllefahren schon angepöbelt worden seien. An Mergner und Sengl gewandt, sagte er: „Ihre Saat ist aufgegangen.“ Ebenso dass die Landwirte jetzt unter Generalverdacht gestellt würden, obwohl sie sich an allen Tagen im Jahr, auch an den Feiertagen, um ihre Tiere kümmerten.

Markus Müller vom BBV-Bezirksverband, der auch einen Nebenerwerbsbetrieb bewirtschaftet und am Kulap teilnimmt, versuchte Schärfe aus der Diskussion herauszunehmen. Jeder Betrieb, ob konventionell oder öko, habe Achtung und Respekt verdient.

Beim Abschlussstatement sagte BN-Chef Mergner: „Dieser Abend hat mir durchaus viel abverlangt, weil ich sehr viel Wut und Enttäuschung sowie Frust erlebt habe. Ich glaube aber, wir kommen nur weiter, wenn wir miteinander reden.“