Vielfalt Lebensmittel
© BBV

Bayern braucht eine Ernährungsstrategie

Position des BBV-Präsidiums zur Erarbeitung einer Bayerischen Ernährungsstrategie

26.10.2023 | Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erarbeitet derzeit eine Ernährungsstrategie der Bundesregierung. Das BBV-Präsidium folgt der Empfehlung des Landesfachausschusses für Ernährung und Verbraucherfragen und fordert die Erarbeitung einer Bayerischen Ernährungsstrategie.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erarbeitet derzeit federführend eine Ernährungsstrategie der Bundesregierung. Der Landesfachausschuss für Ernährung und Verbraucherfragen sieht die Ausgestaltung angedachter Maßnahmen nicht nur in der Kompetenz des Bundes und fordert daher die Erarbeitung einer Bayerischen Ernährungsstrategie unter Berücksichtigung folgender Punkte, die das Präsidium verabschiedet hat.

Gesunde Ernährung
Gesunde Ernährung basiert auf einer nachhaltigen und regionalen Lebensmittelerzeugung. Die Vielfalt der regionalen landwirtschaftlichen Produkte sowohl aus dem pflanzlichen als auch aus dem tierischen Bereich unterstützt eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung. Die Eigenversorgungsfähigkeit Bayerns ist daher auszubauen.

Bayerische Erzeugnisse stehen für Qualität. Die Wertschätzung für regionale Lebensmittel in der Gesellschaft muss gefördert werden. Die Auswirkungen der täglichen Konsumentscheidungen müssen stärker bewusst gemacht werden. Eine veränderte Anspruchshaltung bezüglich der Verfügbarkeit von Lebensmitteln und das Bewusstsein für hohe Sicherheits- und Qualitätsansprüche heimischer Lebensmittel kann durch die Bereitstellung von staatlichen Finanzmitteln für den Erzeuger-Verbraucher-Dialog, die Ernährungsinformation und -bildung erzielt werden. Der Ausbau des Qualitäts- und Herkunftssicherungssystems „Geprüfte Qualität Bayern“ sowie des „Bayerischen Biosiegels“ und eine deutliche Erhöhung des Anteils regionaler Lebensmittel in der Außer-Haus-Verpflegung stärken die regionale Produktvielfalt mit ihren Erzeugerinnen und Erzeugern und den Wirtschaftskreisläufen.
Tierische Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Eier, Milch und Milchprodukte oder Käse sind hochwertige heimische Naturprodukte bzw. wenig verarbeitete Produkte verglichen mit sogenannten tierischen Ersatzprodukten, die häufig stark verarbeitet sind und lange Zutatenlisten mit Zusatzstoffen aufweisen. Der Wert tierischer Lebensmittel und von Naturprodukten innerhalb einer pflanzenbetonten Ernährung muss gestärkt werden, denn nur bei einer täglichen, bunten Mischung aus pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln ist bei gesunden Menschen von einer ausreichenden Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen auszugehen.

Ernährungsbildung
Alltagskompetenzen werden immer weniger in der Familie vermittelt. Kinder und Jugendliche müssen wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen und was man daraus Gesundes und Genussvolles zubereiten kann. Für ein gelingendes und gesunderhaltendes Leben  ist es wichtig, Alltagskompetenzen in der Schule zu vermitteln. Ziel muss ein eigenständiges Schulfach Alltagskompetenzen über alle Schularten hinweg sein, bei dem die Praxisorientierung (Schulgärten, Schulküchen,…) im Vordergrund stehen muss.

Die Projektwochen „Alltagskompetenzen – Schule fürs Leben“ und das Projekt „Landfrauen machen Schule“ müssen fortgeführt, regelmäßig evaluiert und angepasst werden. Der Einsatz von Fachkräften der Land- und Hauswirtschaft in der Schule und auf den Höfen muss angemessen honoriert werden.

Die Ernährungsbildung von klein auf muss praxisorientiert gestaltet und ausgebaut werden. Eine institutionalisierte Ernährungsbildung von Kindesbeinen an, die sowohl die Erzeugung als auch die Nahrungszubereitung umfasst und die die Bedeutung der Land- und Forstwirtschaft in Bayern und die Vielfalt ihrer Erzeugnisse aufgreift, muss aufgebaut werden. Dabei sollte die bayerische, traditionelle Esskultur wie z.B. regionale Spezialitäten berücksichtigt werden.

Gemeinschaftsverpflegung
Die Wahlfreiheit bei der Speisenauswahl muss in der Gemeinschaftsverpflegung, insbesondere auch in der Kita- und Schulverpflegung, erhalten bleiben – neben vegetarischen Gerichten müssen auch fleischhaltige Gerichte zur Auswahl angeboten werden.

Kita- und Schulessen muss gesund und abwechslungsreich sein und natürlich auch schmecken – ein hoher Anteil an frisch zubereiteten, regionalen und saisonalen Naturprodukten ist anzustreben. Ein Pilotprojekt zur kostenlosen Abgabe von ausgewogenem Kita- und Schulessen ist mit wissenschaftlicher Begleitung auf den Weg zu bringen.

Der Ministerratsbeschlusses „Mehr regionale und ökologische Lebensmittel in Bayerns Kantinen“ vom 13.01.2020 muss konsequent umgesetzt werden. Auch die ökologischen Erzeugnisse müssen dabei aus der Region sein. Über eine Anschubfinanzierung, z.B. zur Gründung von Verarbeitungsbetrieben, zum Aufbau von regionalen Logistikzentren sowie zur Umstellung und Zertifizierung von Kantinen kann der Beschluss unterstützt werden.

Nachhaltigere Ernährung
In der Debatte um eine nachhaltigere Ernährung müssen die Dimensionen Ökologie, Ökonomie, Gesundheit und Soziales betrachtet werden. Für eine nachhaltigere Ernährung muss die Versorgungssicherheit mit regionalen Lebensmitteln ausgebaut werden.

In der sozialen Dimension müssen die Auswirkungen eines sich verändernden Konsumverhaltens auf die bäuerlichen Familien wissenschaftlich untersucht und stärker gewichtet werden. Regionale Wirtschaftskreisläufe müssen für den Erhalt der bäuerlichen Familienbetriebe stärker gefördert werden.

Unser ganzes Leben – so auch Essen und Trinken – sind mit Treibhausgasemissionen verbunden. Nur auf die Treibhausgasemissionen des einzelnen Lebensmittels zu schauen, ist zu kurz gegriffen. Es muss berücksichtigt und transparent kommuniziert werden, dass die Landwirtschaft, neben der Forstwirtschaft, die einzige Branche ist, die der Atmosphäre CO2 entziehen und über Böden und Ernteprodukte binden kann.  

Grünland und nicht essbare pflanzliche Biomasse kann nur über die Tierhaltung für die menschliche Ernährung nutzbar gemacht werden. Eine nachhaltige Lebensmittelerzeugung im Rahmen der Kreislaufwirtschaft funktioniert ohne Tierhaltung nicht. Fleisch- und Milchersatzprodukte sind keine Alternativen zu tierischen Produkten, sondern ergänzende Produkte im Sinne einer nachhaltigen Ernährung und Kreislaufwirtschaft. Um Bedürfnisse und Erwartungen von Politik und Gesellschaft erfüllen zu können, brauchen bäuerliche Familienbetriebe die notwendigen Rahmenbedingungen und Planungssicherheit: Mehr Tierwohl gibt es nicht zum Null-Tarif. Die Vorschläge der Borchert-Kommission sind aufzugreifen.

Lebensmittelverschwendung ist nicht nur ein soziales und humanitäres, sondern in großem Umfang ein ökologisches Problem. Daher müssen wirksame Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung umgesetzt werden.  Z.B. muss die Forschung zum Einsatz von Nebenprodukten und Speiseresten in der Tierernährung intensiviert werden, um im Sinne einer Kreislaufwirtschaft diese Produkte wieder der menschlichen Ernährung zugänglich zu machen.

Eine nachhaltigere Ernährung mit regionalen Produkten und einem hohen Anteil an Naturprodukten wirkt sich positiv auf das Gesundheitssystem aus (Prävention von ernährungsmitbedingten Erkrankungen), stärkt die bäuerlichen Familien, die heimische Wirtschaft und erhält die bayerische Kulturlandschaft und ist daher auf allen Ebenen zu fördern.