Heuernte auf Grünland in Bayern
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Position: Krisen meistern und Zukunft gestalten

Position der Präsidentenkonferenz des Bayerischen Bauernverbandes

22.06.2016 | Die Bauernfamilien sind wegen steigender Bewirtschaftungsauflagen durch die Politik, zusätzlicher Anforderungen durch den Lebensmitteleinzelhandel, der häufig sachlich ungerechtfertigten Angriffe von Nichtregierungsorganisationen und vor allem durch die dramatische, länger andauernde Preiskrise tief betroffen

Die Ursachen für die Preismisere sind vielfältig und beruhen überwiegend auf Sondersituationen:

  • Einbruch des Absatzmarktes in Russland durch das politisch begründete Embargo
  • Rückgang der Nachfrage in China durch den abklingenden Wirtschaftsboom
  • Kaufkraftverlust und damit Absatzrückgang durch stark gesunkene Rohstoffpreise (Erdöl) sowie politische Unruhen in anderen Export-Zielländern (arabische, nordafrikanische Länder)
  • Mengendruck durch drei weltweite Rekordgetreideernten in Folge
  • Massiver Verdrängungswettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel über Preisdruck und Dumpingaktionen bei Grundnahrungsmitteln
  • Erhebliche Produktionsausweitung in einzelnen EU-Ländern und z. T. auch einzelbetriebliche Mehrerzeugung

Zur Unterstützung bei der jetzigen schwierigen Situation, die bis zur Resignation der Bauernfamilien und zu gravierenden Auswirkungen auf die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche führt, sind schnell wirksame Maßnahmen dringend nötig.

Soforthilfemaßnahmen

  • LUV-Entlastung (zusätzlich 100 Mio. €/Jahr)
  • Steuerliche Erleichterungen, u. a. rückwirkende Glättung (ab 2013/14), Freibetrag zur Schuldentilgung
  • Zusätzliche Interventionsmaßnahmen (Blitzintervention)
  • Liquiditätshilfen (15 000 €/Betrieb) ggf. in Verbindung mit Nicht-Steigerung der Erzeugungsmenge für befristeten Zeitraum
  • Absatzförderung: Inanspruchnahme schon bereitgestellter EU-Mittel
  • Zügige Erschließung neuer Auslandsmärkte

Zusätzlich zu den genannten Sofortmaßnahmen sind aufgrund der stark volatilen Märkte nötig:

  • Erhalt Direktzahlungen als stabiler Einkommensanteil bei volatilen Preisen
  • Gezielte Ergänzung mit einkommenswirksamen Maßnahmen der 2. Säule (Ausgleichszulage, Vertragsprogramme, usw.)
  • EU-Krisenfonds wirksam ausgestalten und mit zusätzlichen Mitteln finanzieren
  • Überprüfen der Richtlinien zur Investitionsförderung
  • Generelle Kostenentlastung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit:
    • Senkung Sozialkosten
    • Steuerliche Entlastungen (Steuerglättung, Freibetrag zur Schuldentilgung)
    • Kosten durch Überreglementierung senken
  • Erschließung der Exportmärkte durch:
    • verstärkte Absatzförderung
    • Vereinfachung der Exportzulassungen
    • Gewährung der Hermesbürgschaft
    • Einsatz für Lebensmittelhilfe
  • Verbesserung Absatzförderung und Verwertung im Inland (Ersatz für Analogprodukte und Substitute, z. B. Milchfett statt Palmfett)
  • Staatliches Moratorium gegen neue Auflagen und Bürokratie aus Brüssel, Berlin und München. Dringend sind echte Entlastungen nötig.
  • Verbesserung der Agrarmarkt-Bedingungen:
    • Einschränkungen der Übermacht des Lebensmitteleinzelhandels (Kartellrecht, Dumpingaktionen, Zahlungsziele)
    • Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten für die Erzeuger, Erzeugergemeinschaften und Genossenschaften im Agrarmarktstrukturgesetz

In diese Maßnahmen sind alle Produktbereiche der Land- und Forstwirtschaft einzubeziehen.

 

 

Die EU hat sich aus der staatlichen Quotenregelung zurückgezogen (Milch, Zucker), weil sie

  • bei mittlerweile offenen weltweiten Märkten unwirksam ist,
  • keine Rücksicht auf die Verwertungsmöglichkeiten (Menge, Wertschöpfung) nahm,
  • ein erheblicher Kostenfaktor für die Milcherzeuger war.

Eine Rückkehr zu einer staatlichen Milchquotenregelung lehnt der BBV deshalb ab.

 

Falls als einmalige Sofortmaßnahme zur erhofften Marktentlastung in der jetzigen Krisensituation ein staatlicher Markteingriff diskutiert wird, setzt dies voraus, dass dieser

  • verbindlich EU-weit erfolgt
  • durch zusätzliche EU-Mittel finanziert wird (d. h. nicht aus dem EU-Krisenfonds und damit zu Lasten anderer Produktbereiche)
  • schnell wirksam wird (politische Mehrheitsfindung, verwaltungsmäßige Umsetzung)
  • Interessen der Milcherzeuger (Milcherzeuger ohne Mengensteigerung nicht bestrafen, Härtefälle vermeiden) und der Molkereien (gesicherte, hohe Verwertungsmöglichkeit nicht verhindern) berücksichtigt
  • Milcherzeugern keine neuen Kosten- und Verwaltungsbelastungen aufbürdet.

 

Künftig braucht die Land- und Forstwirtschaft zur Verwirklichung echter sozialer Marktwirtschaft klare und verlässliche Marktrahmenbedingungen sowie Unterstützung über zielgerichtete politische Ergänzungsmaßnahmen für den Erhalt einer vielfältigen, flächendeckenden Landbewirtschaftung. Innerhalb dieser politischen Eckpunkte ist es Aufgabe der Erzeuger und der Verarbeitungsbetriebe in allen Produktbereichen, die Regeln über Menge und Preis selbst zu bestimmen und damit auch Krisenvorsorge zu betreiben. Dies ist möglich insbesondere mit einer verantwortlichen Regelung zu Liefermenge und Preis durch die Wirtschaftsbeteiligten (Erzeuger, Verarbeiter) über die Ausgestaltung der Lieferbeziehungen (Preisdifferenzierung je nach Verwertung für künftige Liefermenge).

Unsere Bauernfamilien werden sich den Herausforderungen offener Märkte stellen. Dazu brauchen sie aber deutlich verbesserte politische und finanzielle Rahmenbedingungen und die Bereitschaft der Marktpartner zur konstruktiven, zukunftsgestaltenden Mitwirkung an einer erfolgreichen Wertschöpfungskette. Um daran weiterarbeiten zu können, sind in der schwierigen Situation vieler Betriebe die genannten Maßnahmen dringend nötig.