Menschen sitzen im Saal
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Brennpunkt Schwarzwild - rund 200 Interessierte folgten der Einladung des BBV nach Nürnberg.

Schwarzwild im Brennpunkt

Innovative Konzepte in Nürnberg vorgestellt

27.05.2014 | Immer mehr Wildschweine in Bayern – und mit der Höhe und Häufigkeit von Schäden in Feldern und Wiesen wächst das Konfliktpotenzial. Was tun? Im Projekt „Brennpunkt Schwarzwild“ haben fünf Modellregionen in Bayern innovative regionale Konzepte umgesetzt.

Welche Erfahrungen sie dabei gemacht haben, stellten sie auf dem Schwarzwildsymposium des Bayerischen Bauernverbandes und der Landesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer am 26. Mai 2014 in Nürnberg vor.

Wie in ganz Mitteleuropa hat sich das Schwarzwild auch in Bayern stark vermehrt. Die Wildschadensproblematik ist ein Dauerthema, das Landwirte, Jäger, Verbände und Behörden bewegt. Der Bayerische Bauernverband (BBV) und die Landesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer (ARGE) haben größtes Interesse an praxisgerechten Lösungen. Aus diesem Grund hatte der BBV im Herbst 2009 den Anstoß für das Projekt „Brennpunkt Schwarzwild – Projekt zur Entwicklung regionaler innovativer Konzepte“ gegeben. Ziel war es, ergänzend zu den bisherigen Bejagungsstrategien neue Ansätze zu erproben. In der vierjährigen Projektlaufzeit bis November 2013 haben Landwirte, Jagvorstände, Jäger, Waldbesitzer, Mitarbeiter der Bayerischen Staatsforsten und Behördenvertreter Zielsetzungen, Lösungswege und Maßnahmen zur Umsetzung erarbeitet. Nun stellten die Beteiligten ihre Ergebnisse vor.
 
Rund 200 interessierte Gäste waren der Einladung des BBV gefolgt. Die Fachveranstaltung sollte in erster Linie Erfahrungsaustausch sein: interessensübergreifende Zusammenarbeit, Schwarzwild-Informationssystem, Bejagungsmethoden, Kirrung, Nachtzieltechnik – alle Themen kamen auf den Tisch. „In den Modellregionen sind beispielhafte Formen der Zusammenarbeit gelungen“, stimmte Projektkoordinator Niels Hahn von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft das Publikum auf die kommenden Ausführungen der Akteure ein.

 

Vom Neben- und Gegeneinander zum Miteinander

„Landwirte und Jäger müssen als Naturnutzer kooperieren“, nannte Dr. Georg Fuchs, erster Vorsitzender der Jägervereinigung Spessart-Aschaffenburg, einen wichtigen Erfolgsfaktor bei der Bejagung. Förderlich für ein Miteinander seien die Offenheit für neue Themen, Respekt für die Grenzen des anderen und Pragmatismus, hinderlich seien alte Feindbilder, ständiges Gegenrechnen und Streit, so Fuchs. Ähnlich äußerte sich Heinrich Rauh vom Landratsamt Kulmbach. „Jäger, Landwirte, Jagdgenossen, Staatsforsten und Behörden können das Schwarzwildproblem nur gemeinsam lösen.“ Auch für Josef Wittmann, Geschäftsführer Bauernverband Schwandorf, war das „gemeinsame Ziehen an einem Strang“ das wichtigste Erfolgskriterium bei der Entschärfung der Schwarzwildproblematik. „Wir werden auch nach Projektende weiterhin zusammenarbeiten“, versprach er. Geplant würden revierübergreifende Drückjagden und Erntejagden. „Um spontaner zu handeln, wünsche ich mir den Aufbau einer schnellen Einsatztruppe und einer mobilen Hundemeute. Wir wollen uns auch künftig weiterentwickeln und sind offen für weitere Projekte“, sagte Wittmann. Karl-Heinz Inzelsberger, 1. Vorsitzender der Jägervereinigung Pegnitz e.V., stellte die gemeinsam in arbeitsintensiven Sitzungen formulierten Empfehlungen für Zusatzvereinbarungen zum Jagdpachtvertrag vor. So sollten beispielsweise die Verpflichtung zur revierübergreifenden Bejagung, Duldung überjagender Hunde, Durchführung von Revierbegängen oder die Verpflichtung zum Abschluss einer Nachsuchenvereinbarung im Pachtvertrag verankert werden. Dabei sei die Durchsetzbarkeit der Zusatzvereinbarungen wichtig.
 

Bewährtes verbessern, Neues testen

Wie praxisnahes Monitoring auf Augenhöhe umgesetzt werden kann, zeigten die Vertreter der Modellregionen in einem zweiten Themenblock auf: dem eigenverantwortlich betriebenen digitalen Schwarzwild-Informationssystem (SIS). „Wir kommen vor Ort nur durch Transparenz weiter, und das SIS liefert uns genau diese benötigte Transparenz“, sagte Stefan Köhler, als Kreisobmann des BBV Aschaffenburg im Arbeitskreis Schwarzwildkonzept Bayerischer Untermain tätig. Durch das Sammeln von Fakten und durch die darauf aufbauenden gemeinsamen Schlussfolgerungen für die Bejagung haben es die Betroffenen vor Ort vom Nebeneinander oder gar Gegeneinander zum Miteinander geschafft. Doch Transparenz vorbehaltlos zu praktizieren, koste manche Überwindung, sagte Matthias Huttner von der Forstverwaltung. Sie stelle für einige Beteiligte sogar ein Problem dar. Aber durch das SIS könnten sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen. Vom Einzelkämpfer zum Teamworker sei das Ziel.
 
Einleitend zu den Bejagungsmethoden stellte Harald Köppel, BBV-Mitarbeiter in Kulmbach, die Erfahrungen mit der Anlage von Bejagungsschneisen dar. Hinderlich für die Anlage seien insbesondere die bürokratischen Regelungen im Zusammenhang mit den landwirtschaftlichen Förderprogrammen, wie z.B. KuLaP. Die Bilanz von Maximilian Freiherr von Widersberg zu den Bejagungsschneisen lautete: tauglich zur Vergrämung, wenn die Jäger auch regelmäßig, mindestens wöchentlich dort jagen. Eine hohe Jagdstrecke oder gar Reduktion der Population sei jedoch nicht zu erreichen.
 

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Diskussion im Saal
Mitwirkende der regionalen Projektteams stellten ihre Erfahrungen im Modellprojekt vor.

Revierübergreidende Bewegungsjagden

Alle Projektteams erachteten revierübergeifende Bewegungsjagden auf Schwarzwild als zwingend notwendig an, wollten die Beteiligten die Schwarzwildbestände wirksam regulieren. Während die einen Modellregionen bereits von Beginn an sehr gute Erfahrungen mit Ernte-, Drück- oder Bewegungsjagden gemacht haben, standen andere Regionen vor enormen Herausforderungen, zum Beispiel bei der erstmaligen Organisation solcher Jagden, sagte Albin Schmitt aus Kulmbach. Deshalb hatten die Beteiligten dort entschieden, eine Musterdrückjagd durchzuführen und gemeinsam in einem Schießkino die Schießfertigkeiten zu trainieren. Größter Erfolg dieser Maßnahmen sei gewesen, dass sich ein Wir-Gefühl eingestellt hat, ergänzte Lorenz Wurmthaler. Die weiteren Redner gingen auf die Themenbereiche Reviergrenzenüberschreitender Hunde-, Hundeführer- und Treibereinsatz, Verkehrssicherungspflicht, Bau der Drückjagdsitze oder die einzelnen Planungsschritte ein. Die Frage, ob alles Schwarzwild, Rehwild und Raubwild freigegeben wird, solle und könne jeder teilnehmende Revierinhaber in Eigenverantwortung entscheiden. Wie das immer wieder mitschwingende Problem „Jagdneid“ überwunden werden kann, demonstrierte Hegegemeinschaftsleiter Georg Bayer mit dem gemeinsam entwickelten „Pottensteiner Modell“. So erfolgte die Planung revierübergreifend auf der gesamten Jagdfläche und nicht nur im eigenen Revier. Der Hunde- und Treibereinsatz erfolgte ebenfalls revierübergreifend. Neu war auch der Austausch von eingeladenen Schützen zwischen den Revieren im Losverfahren und die Aufteilung der gesamten Jagdstrecke zu gleichen Teilen. Diese Regelungen hätten zu mehr Jagderfolg und zur Zufriedenheit bei den beteiligten Jagdgenossen und Jägern geführt.
 

Kirrung – Ja oder Nein?

Kontrovers unter den Beteiligten wird das Thema Kirrung gesehen. Michael Berngruber von der Steuerungsgruppe Pottenstein und Schnabelwaid, riet dazu, Rehwildfütterungen so zu gestalten, dass sie von Schwarzwild nicht angenommen werden können und generell die Futtermengen zu überdenken. Die Landwirtschaft könne seiner Meinung nach ihren Beitrag leisten, indem sie keine Silo- und Getreideabfälle mehr in den Wald oder die Feldflur verbringt und Ernterückstände beseitigt. Eine interessante Rechnung machte Rudolf Zwicknagel vom Arbeitskreis Schwarzwildkonzept Bayerischer Untermain angesichts der Erhebung zu Schwarzwildkirrungen im Forstbetrieb Heigenbrücken auf. Danach wurde an rund einem Drittel der Kirrungen nie Schwarzwild erlegt – durchschnittlich erfolgte knapp die Hälfte des Schwarzwildabschusses an der Kirrung. Damit sei pro erlegte Sau rund zwei Zentner Mais investiert wurden – das entspräche circa drei Kilogramm pro kg Wildbret und damit mehr als in der Schweinemast! Die Kirrung sei eine Möglichkeit, Schwarzwild gezielt zu bejagen, allerdings sehr abhängig vom Können und Engagement des Jägers. „Jede Kirrung, an der nicht konsequent gejagt wird, ist kontraproduktiv“, so Zwicknagel.

 

Nachtzieltechnik

Inwiefern Nachtzieltechnik zur Reduktion der Schwarzwildbestände und Vermeidung von Wildschäden geeignet ist, testeten zwei Projektteams in einem Versuch. Otto Kreil und Otto Storbeck stellten die Ergebnisse vor. „Der Einsatz von modernen Nachtzielgeräten ist grundsätzlich geeignet, um einen wichtigen Beitrag zu leisten und führt zu mehr Tierschutz und Sicherheit bei der Nachtjagd“, resümierten sie. „Wir Jäger wollen die Bejagungsrichtlinien umsetzen und brauchen die neuen technischen Hilfsmittel!“ Das Thema wurde in der Podiumsdiskussion am Nachmittag vertieft.
 

 

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