Schweine in einem bayerischen Stall der Initiative Tierwohl
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Position: Situation der Schweinehalter

Zwischen Russland-Embargo und Macht des Lebensmitteleinzelhandels

14.07.2015 | Die Schweinehalter in Bayern - Schweinemäster und insbesondere Ferkelerzeuger - leiden unter einem massiven Preistief.

Bei den Schlachtschweinepreisen blieb der übliche saisonale Preisanstieg in den Sommermonaten heuer komplett aus. Von einer Kostendeckung ist man derzeit weit entfernt, besonders die Ferkelerzeuger schreiben tiefrote Zahlen. Bei den Ferkelpreisen hat es seit dem Absturz im zweiten Halbjahr 2014 bisher noch keine nachhaltige Preiserholung gegeben. Derzeit bereitet zusätzlich zu einem saisonal bedingt höheren Ferkelaufkommen die Hitze enorme Probleme. Mastschweine wachsen langsamer und dadurch gerät auch der Ferkelabsatz ins Stocken bzw. unter Druck. Hinzukommen die nachhaltigen Wirkungen des aktuell bis 2016 verlängerten Russland-Embargos. Gerade für Schweinefleisch war und ist Russland ein wichtiger Exportmarkt.
 
Zu dieser insbesondere durch Witterung und Russlandembargo schon angespannten Marktlage kommt allerdings massiv verschärfend noch der Preisdruck durch Lebensmitteleinzelhandel und Schlachtwirtschaft hinzu. Der tendenziell größer werdende Abstand zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen ist dabei ein unmissverständlicher Hinweis, dass Verarbeiter und Handel auf dem Rücken der Erzeuger ihre Margen ausbauen. So sind die Verbraucherpreise für die Produkte Braten, Schnitzel, Gulasch und Hackfleisch im Vergleich zum Vorjahr sogar um gut 4 Prozent gestiegen. Die Erzeugerpreise sind im Gegenzug im Vergleich zum Vorjahr um über 15 Prozent gefallen.
 
Das BBV-Präsidium sieht die derzeitige Situation der Schweinehalter mit großer Sorge und mahnt daher Politik wie auch Marktpartner eindringlich, Beiträge zur Entspannung der Situation zu leisten:

  • Schlachtwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel dürfen die angespannte Marktlage nicht ausnutzen, um zusätzlichen Preisdruck auszuüben und zur kurzfristigen Profitsteigerung die Schweinehalter auszupressen wie Zitronen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele dieser Unternehmen sich aktuell Nachhaltigkeit und Regionalität auf die Fahnen schreiben, ist dies inakzeptabel.
  • Das Bundeskartellamt muss sicherstellen, dass das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis eingehalten wird. Außerdem muss es im Sinne seiner Funktion als Hüter des Wettbewerbs einer weiteren Konzentration vor allem im Lebensmitteleinzelhandel im Rahmen seiner Möglichkeiten entgegenwirken, wie zum Beispiel beim Veto gegen die Übernahme von Tengelmann durch Edeka. Solche Entscheidungen darf dann auch der zuständige Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel nicht aufweichen oder gar aufheben.
  • Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und EU wie auch alle Marktpartner sind gefordert, Exportmärkte zu erschließen bzw. auszubauen.
  • Die EU muss zudem die Verhandlungen mit Russland zur Aufhebung der Anfang 2014 verhängten sanitären und phytosanitären Einschränkungen  für EU-Schweinefleischexporte verstärken. Dadurch könnten zumindest manche Exporte wie zum Beispiel Speck wieder aufgenommen werden, die nicht auf der allgemeinen Embargoliste stehen.
  • Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird aufgefordert, über die Landwirtschaftliche Rentenbank ein spezielles Programm mit Darlehen zur Liquiditätssicherung für Schweinehalter aufzulegen.

 

Neben diesen konkreten Punkten gibt das BBV-Präsidium zu Bedenken, dass gerade kleinere und mittlere bäuerlichen Familienbetriebe aufgrund der permanenten Zunahme der bürokratischen Auflagen und Dokumentationsverpflichtungen sowie der inzwischen fast täglichen Diskussion um weitere nationale gesetzliche Verschärfungen  in der Schweinehaltung frustriert sind und keine Zukunftsperspektive mehr sehen. Das BBV-Präsidium warnt davor, auf diese Weise den Strukturwandel unnötig anzuheizen und heimische Schweinehalter im europäischen Wettbewerb auszuhebeln.
 
Darüber hinaus ist es dem BBV-Präsidium ein großes Anliegen, dass alle Schweinehalter, die sich im April zur wirtschaftsgetragenen Initiative Tierwohl angemeldet haben, auch teilnehmen können. Das bisher von den teilnehmenden Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen zur Verfügung gestellte Budget hatte bei weitem nicht ausgereicht und mehr als die Hälfte der teilnahmewilligen Schweinehalter stehen daher auf der Warteliste. Daher appelliert das BBV-Präsidium an alle Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen, die noch nicht bei der Initiative Tierwohl mitmachen, sowie an weitere mögliche Finanzierungspartner wie die Systemgastronomie und das Fleischerhandwerk, der Initiative beizutreten und auch ihren finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass noch mehr Tierwohl in den Ställen umgesetzt werden kann. Die Bauern haben mit ihrer überwältigenden Teilnahmebereitschaft gezeigt, dass sie noch mehr Tierwohl in ihren Ställen umsetzen können und wollen, wenn ein angemessener Kostausgleich gewährleistet ist.