Fleischstück
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Kennzeichnung von Fleisch nach Haltungsformen

Position der Kreisbäuerinnen und Kreisobmänner des Bayerischen Bauernverbandes

07.05.2018 | Die Kennzeichnung von Fleisch nach Haltungsformen ist aktuell in der Politik und in der Wertschöpfungskette ein intensiv diskutiertes Thema. Die Kreisbäuerinnen und Kreisobmänner sehen darin sowohl Chancen als auch Risiken.

Grundsätzlich gilt es zu bedenken, dass eine Kennzeichnung erst einmal nur den Markt abbildet, wie er gerade ist. Sie kann aber die Grundlage für Veränderungen bilden, denn der Verbraucher erhält durch sie transparent und vergleichbar Wahlmöglichkeiten. Aber erst tatsächliche und dauerhafte Kaufentscheidungen der Verbraucher für Produkte der Stufen, die über dem gesetzlichen Standard liegen und einen höheren Preis haben müssen, schaffen die Möglichkeit für die Tierhalter, nachhaltig noch mehr Tierwohl in ihren Ställen umzusetzen und gleichzeitig im Wettbewerb bestehen zu können.

Dass die Tierhalter in Deutschland dazu bereit sind, beweisen sie seit 2015 mit ihrer Teilnahme an der Brancheninitiative Tierwohl. Aktuell werden so bereits ca. 23 % der Schweine und rund 70 % des Geflügels (Puten, Hähnchen) nach höheren Tierwohlkriterien gehalten, als sie das Gesetz vorgibt. Allerdings hat sich die Initiative Tierwohl bisher darauf konzentriert, Verbesserungen in der Tierhaltung auf Basis einer sehr effizienten Fondslösung mit Massenbilanzierung umzusetzen und auf eine konkrete Produktkennzeichnung (so genannte Nämlichkeit) zu verzichten. Bei unverarbeitetem Geflügelfleisch hat die Initiative Tierwohl die Nämlichkeit nun zum 1. April 2018 eingeführt. Auch bei Schweinefleisch sind Pilotprojekte geplant, um erste Erfahrungen zu Machbarkeit, organisatorischem Aufwand, Kosten und Kaufverhalten der Verbraucher zu gewinnen.

Die Kreisbäuerinnen und Kreisobmänner sind bereit, sich der Herausforderung der Einführung einer Haltungskennzeichnung zu stellen, um dem vielfach geäußerten Wunsch der Verbraucher nach mehr Transparenz und Orientierung beim Einkauf von Fleisch Rechnung zu tragen. Sie haben aber für die Umsetzung eines Kennzeichnungssystems klare und konkrete Forderungen:

 

Bundeseinheitliche verpflichtende staatliche Kennzeichnung

Nur ein bundeseinheitliches verpflichtendes staatliches Kennzeichnungssystem kann Transparenz und Orientierung für die Verbraucher schaffen und ist für die Wertschöpfungskette umsetzbar. Es darf hingegen nicht zu einem Kennzeichnungsdschungel kommen, in dem z.B. jedes Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen – wie aktuell Lidl und Netto – sein eigenes System macht.

Höherer Preis für den Tierhalter

Die Produkte der Kennzeichnungsstufen, die über dem gesetzlichen Standard liegen, müssen einen höheren Preis erzielen. Der höhere Preis muss beim Tierhalter ankommen und ihm ermöglichen, zumindest die Mehrkosten für die höheren Haltungsanforderungen nachhaltig zu decken. Da an der Erzeugung eines fleischliefernden Tieres mehrere landwirtschaftliche Betriebe beteiligt sein können (z.B. beim Schwein Sauenhalter und Schweinemäster), muss sichergestellt werden, dass auch jeder dieser Betriebe in der Kette den Kostenausgleich für die von ihm erfüllten höheren Tierwohlanforderungen erhält.

Logistikkosten nicht auf die Tierhalter abwälzen

Damit Kennzeichnungen der Produkte nach verschiedenen Stufen möglich sind, müssen insbesondere differenzierte Warenströme von der Schlachtung bis zum Verbraucher aufgebaut werden. Die Kosten hierfür dürfen nicht auf die Tierhalter abgewälzt werden.

Produkte aus Ländern mit deutlich geringeren Standards gesondert kennzeichnen

Um dem Verbraucher echte Transparenz zu bieten, muss das Kennzeichnungssystem auch für Tiere und Produkte aus anderen EU-Ländern und Drittstaaten gelten, die bei uns auf den Markt kommen. Vor allem in einigen Drittstaaten liegen die gesetzlichen Standards für die Tierhaltung deutlich unter dem Niveau in Deutschland. So dürfen beispielsweise in Brasilien und Argentinien bei Rindern wie Schweinen Hormone zur Leistungssteigerung in der Mast eingesetzt werden. In der EU ist dies seit 30 Jahren verboten. Deshalb ist in einem verpflichtenden Kennzeichnungssystem eine gesonderte Stufe für solche ausländischen Produkte vorzusehen, bei deren Erzeugung deutlich geringere Tierschutz- oder Tierwohlanforderungen eingehalten wurden, als es die Gesetze in Deutschland vorsehen.

Miteinbeziehung von verarbeiteten Produkten und Außer-Haus-Verzehr

Um das System logistisch tragfähiger zu machen sowie die Kosten für die höheren Anforderungen in der Tierhaltung auf möglichst viele der Lebensmittel zu verteilen, die aus einem Tier hergestellt werden, ist die Miteinbeziehung verarbeiteter Produkte (Fleisch- und Wurstwaren) sowie des Außer-Haus-Verzehrs (z.B. in Kantinen) in das Kennzeichnungssystem erforderlich. Der Außer-Haus-Verzehr gewinnt beständig an Bedeutung in unserer Gesellschaft und muss ebenfalls in die Pflicht genommen werden, einen Beitrag für mehr Tierwohl zu leisten. Die verarbeiteten Produkte zumindest Schritt für Schritt mit einzubeziehen ist ebenfalls zwingend nötig. Ansonsten müssen die in der Tierhaltung entstehenden höheren Kosten komplett über die wenigen Teilstücke finanziert werden, die als Frischfleisch im Lebensmitteleinzelhandel angeboten werden. Dies würde aber diese Produkte viel stärker verteuern, als wenn bei Miteinbeziehung von Außer-Haus-Verzehr und verarbeiteten Produkten die Mehrkosten breit verteilt werden können. Dies macht im Übrigen auch deutlich, dass die Herausforderungen der Umsetzung einer solchen Kennzeichnung bei Fleisch wesentlich komplexer sind als bei frischen Eiern, wo es lediglich ein verzehrsfertiges Produkt gibt.

Kombination mit Herkunftskennzeichnung

Die Kennzeichnung nach Haltungsformen sollte mit einer Herkunftskennzeichnung kombiniert werden, um den Verbrauchern auch eine bewusste Kaufentscheidung für heimische Produkte zu ermöglichen. Das stark gestiegene Angebot regionaler Produkte im Lebensmitteleinzelhandel in den letzten Jahren zeigt, dass gerade die Herkunft für viele Verbraucher eine immer größere Rolle spielt. Die Herkunftskennzeichnung kann gerade für die Sauenhalter, die sich seit Jahren in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befinden, eine Chance für eine bessere Zukunftsperspektive bieten. Es muss alles getan werden, diesen Betriebszweig in Deutschland und Bayern zu halten und damit die Erzeugung von heimischem Schweinefleisch weiterhin zu ermöglichen.

Verzahnung mit der Initiative Tierwohl

Das neue Kennzeichnungssystem und die bestehende erfolgreiche Brancheninitiative Tierwohl müssen eng miteinander verzahnt werden und sich sinnvoll ergänzen. Hier gilt es insbesondere, kostensparende Synergieeffekte und die bereits bei der Initiative Tierwohl vorhandene Breitenwirkung zu nutzen. Die derzeitige Finanzierungsbasis der Initiative Tierwohl (Fondslösung) darf nicht vorschnell aufgegeben werden.
 

Position: Kennzeichnung von Fleisch nach Haltungsformen